Besuch der Sonderausstellung „NERO. Kaiser, Künstler und Tyrann“ und des Amphitheaters.
Vier Stunden Zugfahrt, zweimal Umsteigen, brüllende Sommerhitze, kaputte Klimaanlagen: Die Reise an diesem Wochenende fing für mich alles andere als entspannt an. Aber für einen Besuch der wunderschönen Stadt Trier würden sich die Strapazen bestimmt lohnen, dachte ich. Und so war es auch.
Trier hat an römischer Geschichte viel zu bieten: Bauten wie die Kaiserthermen, die Porta Nigra, das Amphitheater und die Konstantinsbasilika gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Weil ich mich derzeit besonders für das Phänomen der Gladiatur interessiere, steht das Amphitheater ganz oben auf meiner To-do-in-Trier-Liste.
Im Gegensatz zu den übrigen römischen Bauwerken Triers liegt das Amphitheater außerhalb der Altstadt und war Teil der römischen Stadtmauer. Zum reinen Vergnügen des Publikums flossen an diesem Ort Unmengen von Blut – über Jahrhunderte hinweg.
Die Römer liebten es, sich zu amüsieren: Ihre Unterhaltungsindustrie umfasste unter anderem Wagenrennen, Tierhetzen, Theater, und natürlich die Gladiatorenkämpfe. Diese Spiele fanden an unterschiedlichen Schauplätzen statt. Für die Gladiatorenspiele eignete sich kein Bauwerk mehr als das ellipsenförmige Amphitheater: Alle Zuschauer hatten freien Blick auf die Arena, während die Gladiatoren genügend Platz hatten, um im Kampf vor- und zurückweichen zu können. Weil im Laufe der Zeit Amphitheater im gesamten Römischen Reich wie Pilze aus der Erde schossen, entwickelten sie sich zum Markenzeichen des „Römisch-Seins“. Selbst in Provinzen, die fernab der Heimat lagen, schafften die Römer es, auf den wenigen Quadratmetern der sandigen Arena ihren Herrschaftsanspruch und ihre Wertvorstellungen überzeugend zu inszenieren und zur Schau zu stellen. Offenbar wollten auch die Bewohner Triers nicht auf die spannenden Kämpfe verzichten.
Da das Amphitheater ab dem Mittelalter konsequent als Steinbruch benutzt wurde, ist nur wenig von der originalen Bausubstanz übrig geblieben; vieles musste rekonstruiert werden. Erhalten ist beispielsweise der Keller unter der Arena, in dem Menschen und Tiere auf ihren Auftritt warten mussten.

Ich habe das Amphitheater im Rahmen einer Erlebnisführung besucht. Ein Schauspieler schlüpft dabei in die Rolle eines Gladiators, der die Besucher, getrieben von seinen Erinnerungen, durch den Keller sowie über die Arena und die Tribünen führt. Obwohl ich grundsätzlich kein Fan solcher Touren bin, muss ich zugeben, dass dieses Schauspiel sehr packend war. Nach dem, was ich bisher an Literatur zu dem Thema der Gladiatur gelesen habe, erstaunte mich vor allem, dass die Schilderungen des „Gladiators“ auf mich gut recherchiert wirkten. Ich verließ das Amphitheater mit dem befriedigenden Gefühl, spannend unterhalten worden zu sein und gleichzeitig etwas gelernt zu haben.
Guter Kaiser – Schlechter Kaiser?
In erster Linie war ich aber nach Trier gekommen, um mir die Sonderausstellung „NERO. Kaiser, Künstler und Tyrann“ anzuschauen. Sie läuft noch bis zum 16. Oktober und ist auf drei verschiedene Standorte in der Innenstadt verteilt. Weil ein Wochenende wie immer viel zu kurz ist und mich die Geschichte des Kaisers ganz besonders interessiert, beschränke ich mich auf einen Standort und besuche den Teil der Ausstellung, der im Rheinische Landesmuseum präsentiert wird. Auf einem chronologischen Rundgang wird hier der Werdegang Neros beleuchtet.
Nero gehört zu den berühmtesten römischen Kaisern. Selbst Menschen, die sich nicht mit der Antike beschäftigen, dürften seinen Namen kennen. Der Kaiser, der die Christen verfolgt und auf grausamste Weise hingerichtet hat. Nero, der sich den ganzen Tag nur selbst singen hören wollte. Nero, der in Saus und Braus lebte – natürlich auf Kosten seines Volkes. Das Bild des verrückten Tyrannen hat sich fest in der Nachwelt eingeprägt, nicht zuletzt dank antiker Autoren wie Tacitus, Sueton und Cassius Dio, die in ihren Schriften kein gutes Haar an ihm ausgelassen haben. Aber stimmt das alles wirklich?

Dank wunderbarer Exponate, insgesamt 430, bekommt man in dieser Ausstellung tatsächlich das Gefühl, die Person hinter dem Kaiser kennenzulernen. Letztendlich war er wohl nicht besser und auch nicht schlimmer als manch anderer römischer Kaiser. Die Aristokraten verachteten ihn, warfen ihm Schlemmerei und Verschwendung vor (Dinge, die man damals eigentlich jedem reichen Römer hätte vorwerfen können). Vor allem kritisierten sie ihn dafür, geltende Werte zu missachten und seine wahren Pflichten zu vernachlässigen. Beim Volk – vor allem im östlichen Reich – war er dagegen durchaus beliebt. Nero schien sich lieber mit Kultur als mit Politik zu beschäftigen. Seine Leidenschaft galt vor allem der Schauspielerei und der Musik – die blutigen Gladiatorenkämpfe bereiteten dem angeblich so sadistischen Herrscher übrigens von allen Formen der Unterhaltung am wenigsten Vergnügen. Von hell erleuchteten Räumen mit Themen wie die Kindheit Neros und den Anfängen seiner Herrschaft tritt der Besucher in finstere Säle, die sich mit ebenso dunklen Phasen seiner Regierungszeit beschäftigen, zum Beispiel mit dem großen Brand Roms. Hier wird aber auch das hervorragende Krisenmanagement Neros nach der Katastrophe thematisiert: Unter anderem erließ er Brandschutzmaßnahmen und strenge Bauverordnungen, um Bränden zukünftig besser vorbeugen zu können.

Die Ausstellung will das Bild von Nero neu zeichnen und Aufschluss darüber geben, wer Nero in Wahrheit war. Ich finde, dieses Ziel ist rundum gelungen. Kaiser Nero scheint mir von nun an um einiges menschlicher.
Infos zu den Erlebnisführungen im Amphitheater gibt es hier.