Theorien über Ursprung der Pferde auf den Kopf gestellt

Bislang galten die vor über 5000 Jahren von der Botai-Kultur gehaltenen Pferde als Ursprung unserer heutigen, domestizierten Tiere und das Prezwalski-Pferd als die einzige Unterart des Wildpferdes, die in der Wildform bis heute überlebt hat. Eine in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Analyse fossiler DNA der Botai-Pferde stellt nun beide Aussagen auf den Kopf.

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Die ersten domestizierten Pferde sind nicht die Vorfahren der modernen, sondern der Przewalski-Pferde.
Ludovic Orlando

Botai-Pferde sind nicht die Vorfahren der modernen, domestizierten Pferde, sondern der Prezwalski-Pferde. Diese sind laut der Ergebnisse auch die einzigen Nachfahren der ersten vom Menschen domestizierten Pferde. Damit muss auch für die Erforschung der Herkunft moderner Pferde ein neuer Ansatz gefunden werden.

Die Domestikation, sprich die Nutzbarmachung und Haltung der Pferde war ein Schlüsselmoment in der menschlichen Geschichte. Sie brachte die für die Expansion des Menschen notwendige Mobilität. Das Wissen über die Frühphase der Pferde-Domestikation basiert auf archäologischen Funden in Zentralasien. Diese datieren etwa 5500 Jahre zurück und zeigen eindeutig, dass die Menschen der sogenannten Botai-Kultur Pferde als Reit- und Lastentiere sowie Nahrungsressource hielten.
Die Botai-Pferde galten in Fachkreisen bislang nicht alleine als erste, sondern als der Ursprung aller bis heute domestizierten Pferde. Eine internationale Forschungsgemeinschaft, zu der auch Barbara Wallner und Gottfired Brem vom Institut für Tierzucht und Genetik der Vetmeduni Vienna zählten, überprüfte diese Annahme nun mittels Genomsequenzierung fossiler DNA-Proben und kam zu einem unerwarteten, aber sensationellen Ergebnis. Statt neuer Erkenntnisse oder der Bestätigung dieser Theorie muss sich nun nicht nur die wissenschaftliche Sichtweise in diesem Punkt, sondern auch bei dem als letzten Wildpferd bekannten Przewalski-Pferd grundlegend ändern.

„Man wird im Genom moderner Pferde keine Hinweise auf den Verlauf der Domestikation finden, da sich das Erbgut durch unterschiedliche Zuchtstrategien zu stark verändert hat“, erklärt Studienleiter Ludovic Orlando. Rückschlüsse müssen daher aus den DNA-Spuren fossiler Pferdefunde gezogen werden. Die Sequenzierung dieser Spuren kommt einer genetischen Zeitreise gleich um die biologischen Veränderungen, die die Domestikation verursacht hat, vom Startpunkt weg zu verstehen. Da bei den Botai-Pferden der Ursprung der Domestikation gesehen wird, war es naheliegend ihre Genomsequenz für diese Fragestellung zu charakterisieren.
Wären die Ergebnisse dieser Zeitreise schon an sich eine wertvolle und spektakuläre Erkenntnis, so war das letztendliche Resultat eine wissenschaftliche Sensation. Entgegen aller bisherigen Modelle und Theorien, zeigte die Sequenzierergebnisse, dass die Pferde der Botai-Kultur nicht die „Ahntiere“ der modernen domestizierten Pferde sind. Dafür sind sie die Vorfahren der letzten, lebenden Wildpferdeart der Erde, der Przewalski Pferde. Das Ergebnis stellt somit alle Annahmen rund um die Domestikation und des Pferdes auf den Kopf.

„Laut unseren Ergebnissen scheinen die Przewalski Pferde wilde Abkömmlinge der ersten domestizierten Pferde zu sein. Das stellt natürlich ihre bisherige Bezeichnung als die letzten lebenden Wildpferde in Frage. Die Tiere müssen stattdessen dem Druck der Menschen entkommen und über die Jahrtausende verwildert sein“, so Orlando. Auf die Schutzmaßnahmen für diese Tiere sollte sich das jedoch nicht auswirken. „Bislang haben wir sie als die letzten Wildpferde der Erde geschützt. Nun gilt es, sie als die nahesten Verwandten der ersten, domestizierten Pferde zu schützen“, sagt Orlando.
Dass die Botai-Pferde auch die Vorfahren der heutigen domestizierten Pferde sein könnten, ist laut den Sequenzierdaten und Analysen des Forschungsteams unmöglich. Keine einzige der Eurasischen Pferderassen der letzten vier- oder fünftausend Jahre ist mit den Botaipferden nahe verwandt. Muster in der mitochondrialen DNA der Pferdeproben lassen jedoch darauf schließen, dass es vor 4000 Jahren zu einer Expansion der Pferdepopulationen kam. Damit könnten die Menschen damals auf andere Pferdtypen gestoßen sein, die vielleicht besser geeignet waren, um sie für ihren Nutzen weiter zu entwickeln.

Für die Forschenden stellt sich dadurch die Frage, ob man bei der Suche nach den ersten Vorfahren der heutigen Pferde nicht auf einen Gebietswechsel setzen sollte. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Domestikationsfrage mit den archäologischen Funden im Zentralasiatischen nicht gelöst werden konnte. Daher richtet das Team nun sein Augenmerk auf andere, geeignete Orte, auch im Eurasischen und Zentraleuropäischen Raum, an denen sich vor etwa 3000 Jahren der Mensch im größeren Rahmen ausgebreitet hat. Erste weiterführende Sequenzierungen des Erbgutes des in der menschlichen Expansion möglicherweise bevorzugten Pferdetyps stammen dazu aus Ungarn und Rumänien. Das nun veröffentlichte Ergebnis der Analyse fossiler DNA-Spuren unterstreicht wiederum, wie man mit fossilen Daten wichtige evolutionäre Fragen beantworten kann.

Mehr Infos zu den neuen Ergebnissen über die Przewalski Pferde gibt es hier.

Quelle:
Mag.rer.nat. Georg Mair
Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien

Als Jäger und Sammler auf Migranten trafen

ForscherInnen von über 80 verschiedenen Institutionen unter der Federführung von Ian Mathieson (University of Pennsylvania), David Reich (Harvard Medical School) und Ron Pinhasi von der Universität Wien haben in einer neuen Studie die Genomgeschichte in Südosteuropa untersucht. Diese Region ist bisher kaum erforscht, was die Erbinformation von menschlichen Skeletten betrifft. Sie fanden heraus, wie es um die gegenseitige Beeinflussung und Vermischung der ansässigen Bevölkerung mit den neu eintreffenden Völkern aus Anatolien bestellt ist. Die Untersuchung erscheint aktuell in Nature.

Vor ungefähr 8500 Jahren breitete sich die Landwirtschaft begleitet von einer Völkerbewegung aus Anatolien vom Südosten ausgehend nach Europa aus. Ein internationales Forschungsteam analysierte nun 225 Genomdaten von historischen Völkern, die vor oder nach diesem Wandel gelebt hatten.
Die Einflüsse und Vermischung dieser beiden Bevölkerungsgruppen gestalteten sich komplex. „An einigen Orten vermischten sich die Jäger und Sammler sehr rasch mit den einwandernden Bauern“, erklärt Erstautor Iain Mathieson, Genetiker an der University of Pennsylvania, „dennoch blieben die beiden Bevölkerungsgruppen größtenteils isoliert, zumindest für die ersten paar hundert Jahre. Die Jäger und Sammler hatten dort seit tausenden Jahren gelebt und die Ankunft all dieser neuen Menschen, mit ihrer gänzlich anderen Lebensweise und anderem Aussehen, musste für sie ziemlich schockierend gewesen sein“.

„Zweitausend Jahre später waren sie bereits gut durchmischt“, ergänzt David Reich von der Harvard Medical School, der für die Leitung der Studie mitverantwortlich war: „Einige Populationen sind bis zu einem Viertel ihrer Abstammung Jäger und Sammler“. In anderen Gegenden Europas war die Vermischung durch ein Geschlecht geprägt, denn der Großteil der Jäger- und Sammlervorfahren waren Männer. Allerdings entspricht das nicht den Ergebnissen im Südosten. „So ist ersichtlich, dass sich die Beeinflussung der beiden Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Gegenden unterschiedlich gestaltete, etwas, das wir im Zusammenhang mit archäologischen Zeugnissen zu verstehen versuchen“, ergänzt Mathieson.

„Durch die neuen Genomdaten können wir uns ein deutlicheres Bild vom Anfang des Übergangs zur Landwirtschaft in Südosteuropa machen. Anscheinend kam es gleich bei der Ankunft der Bauern zum Kontakt zwischen den landwirtschaftlich tätigen Gruppen und den Jägern und Sammlern in der Region. Da es keine Hinweise auf Gewalt oder Kriegsführung gibt, nehmen wir an, dass der Kontakt zwischen Individuen dieser beiden Gesellschaftsformen friedlich verlaufen ist“, meint Ron Pinhasi, Anthropologe an der Universität Wien.

„Diese Ergebnisse beleuchten die Beziehung zwischen Migrationswellen, genetischer Vermischung sowie Subsistenzwirtschaft in dieser Schlüsselregion und zeigen, dass sich Individuen selbst bei den frühen europäischen Bauern in ihrer Abstammung unterschieden und damit das dynamische Mosaik der Kreuzungen von Jägern und Sammlern widerspiegeln“, so Ron Pinhasi, der für die Leitung der Studie mitverantwortlich war. So ergibt sich ein umfassendes Bild von Schlüsselperioden der Vergangenheit.

Weitere Infos zu der Studie gibt es hier.

Quelle:
Stephan Brodicky
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien