Heiligtum auf der Osterinsel entdeckt

Schon immer war Süßwasser auf der Osterinsel (Rapa Nui) inmitten des Pazifiks ein wertvolles Gut. Obwohl ausreichend Regen fällt, sind oberflächlich gut erreichbare Wasserspeicher selten oder nur schwer zugänglich. Ein Team der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI will herausfinden, wie die einstigen Siedler während der letzten tausend Jahre mit dem Wassermangel umgegangen sind. In Ava Ranga Uka a Toroke Hau – einem an einem Wasserfall gelegenen Fundplatz aus dem 13.–17. Jahrhundert – stießen sie auf überraschende Befunde: An den Wasserfall schließen sich künstliche Kanäle, mehrere Wasserbecken und eine Prozessionsstraße an. Noch ist die genaue Funktion der Becken rätselhaft – genau wie die einer Herdgrube, die die Archäologen neben einem der Becken freigelegt haben. Sie enthielt Steine, Holzkohle und Asche. Wurden die Steine dort erhitzt, um damit das Wasser im benachbarten Becken zu erwärmen?

Zunächst ebenfalls überraschend waren die gewaltigen Mengen von Stein- und Schottermaterial, die die ehemaligen Osterinsel-Bewohner bewegt haben, um ältere Anlagen wie Wasserbecken und Kanäle mit monumentalen Terrassen zu überbauen. Die Terrassen scheinen die früheren Installationen förmlich zu versiegeln und von einer weiteren Nutzung auszuschließen. Zusammen mit den anderen Befunden liegt die Vermutung nahe, dass damit der Zugang zum Wasser des Baches gesellschaftlich und religiös sanktioniert und durch Tabus reglementiert wurde. Gestützt wird die These durch mehrere Gruben, in denen man rotes Pigment herstellte. Rot gilt in Polynesien als heilig und repräsentiert spirituelle Kraft, physische Stärke und Fruchtbarkeit. Auch Seen, Brunnen, Becken und Quellen – wie etwa der Wasserfall von Ava Ranga Uka a Toroke Hau – sind im polynesischen Kulturkreis heilige Orte, an denen Götter und Geister wohnen.

Die in Ava Ranga Uka a Toroke Hau freigelegten Anlagen waren folglich Teil eines Wasser- und Fruchtbarkeitsheiligtums. Hier fanden rituelle Handlungen statt, die einerseits einen Regenzauber bewirken, andererseits aber auch menschliche Fruchtbarkeit steigern sollten.
Die weiteren Forschungen sollen neue Erkenntnisse zur Gestaltung des Fundplatzes durch monumentale Terrassen, aber auch Einblicke in die frühe Nutzung des Heiligtums liefern.

Weitere Infos zu den Grabungen auf Rapa Nui gibt es hier.

Quelle:

Nicole Kehrer
Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Archäologisches Institut

The Sanctuary Project

Das Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt startet ein neues Forschungsprojekt. „The Sanctuary Project“ soll untersuchen, wie Heiligtümer (sanctuaries) menschliche Erfahrungen und religiöses Wissen in der Antike beeinflussten. Das Projekt wird im Rahmen des Anneliese-Maier-Forschungspreises der Alexander von Humboldt-Stiftung finanziert und von dem Anneliese-Maier-Preisträger Prof. Dr. Gregory Woolf in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Jörg Rüpke als Gastgeber an der Universität Erfurt geleitet.

Heiligtümer sind allgemeine – vielleicht universelle – Produkte menschlicher Gesellschaften. Zuerst nachgewiesen im Zeitalter des Jungpaläolithikums traten die ersten Heiligtümer ungefähr zur gleichen Zeit in Erscheinung wie die ersten Belege für Riten, Kunst und Musik. Da man in Heiligtümern eine Fülle gegenständlicher Objekte einerseits gefunden hat und sie zugleich Orte symbolischen Aufwands sind, zählen sie zu wichtigen Bestandteilen archäologischer Untersuchungen. Als frühe Nachweise für kognitive Aktivitäten des anatomisch modernen Menschen sind sie immer wieder zentral für Debatten um eine „Archäologie des Geistes“.

Bisherige Studien zu Heiligtümern untersuchten diese unter anderem als rituelle Orte, als Bühne für die Festkultur, als Kontaktstätte zum Göttlichen oder auch als Einflussfaktoren bei der Bildung von Staaten. Das „Sanctuary Project“ baut auf diesen bisherigen Studien auf, fokussiert sich jedoch auf den religiösen Akt und erforscht, welche Rolle Heiligtümer bei der Bildung religiöser Erfahrungen von Personen, die antike Kultstätten besuchten, spielten. Dafür sollen Experten miteinander ins Gespräch kommen, die aus ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven wie der Archäologie, Sozialanthropologie, der Alten Geschichte, Kunstgeschichte sowie der Jüdischen und Frühchristlichen Studien auf diese Frage blicken. Das „Sanctuary Project“ möchte zudem Nachwuchsforscher ermutigen, sich an dem interdisziplinären Austausch zu beteiligen und sich so auch mit anderen Fachgebieten vertraut zu machen. Entsprechende Dissertationsstipendien werden dafür an der Universität Erfurt ausgeschrieben.

Weitere Infos gibt es hier. 

 

Quelle:
Carmen Voigt
Pressestelle
Universität Erfurt