Gold in Kalkriese

Acht Goldmünzen hat der Boden in Kalkriese freigegeben. Gefunden wurden die Münzen bei Ausgrabungen im Museumpark. 

Goldfunde sind in regulären Grabungen äußerst selten. Da das Edelmetall bereits in der Antike von außerordentlichem Wert war, gelangte es nur in Ausnahmefällen, meistens in der Folge von Natur- oder Brandkatastrophen sowie kriegerischen Ereignissen, in den Boden. »Der Fund von acht römischen Goldmünzen (aurei) gehört zu den außerordentlichen Glücksfällen. Von den bislang sieben in Kalkriese gefundenen Goldmünzen kennt man vom Schlachtfeld am Oberesch nur zwei weitere aurei. Die Zahl hat sich mit dem Neufund auf einen Schlag vervielfacht«, berichtet der wissenschaftliche Leiter Prof. Dr. Salvatore Ortisi von der Universität Osnabrück.

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Gefunden auf dem antiken Schlachtfeld in Kalkriese: Acht Goldmünzen. (Foto: Hermann Pentermann, Varusschlacht im Osnabrücker Land)

Die Goldmünzen zeigen zum Teil deutliche Spuren der Verwendung und sind durch den Gebrauch an den Kanten abgegriffen. Sie lagen konzentriert in einem Umfeld von nur wenigen Metern, so dass sie wahrscheinlich zusammen, beispielsweise als Teil eines Geldbeutels in den Boden gelangten. Alle aurei wurden in den Jahren zwischen 2 v. Chr. und 4/5 n. Chr. in Lyon (Lugdunum) geprägt.

Ein aureus war zur Zeit des Kaisers Augustus (27 v.-14 n. Chr.)  äußerst wertvoll. Der kleine Goldhort hätte ausgereicht, um seinen Besitzer ein Jahr lang gut zu versorgen. Die Barschaft könnte einem Offizier oder einem höher gestellten römischen Soldaten gehört haben.

»Die Münzen, weitere aktuelle Funde und Befunde werden wir schon in diesem Jahr unseren Besuchern in einer kleinen Kabinettausstellung zeigen«, freut sich Dr. Joseph Rottmann, Geschäftsführer der Varusschlacht im Osnabrücker Land. Die Kabinettausstellung startet mit einem Vortrag des örtlichen Grabungsleiters Marc Rappe am 13. November 2016 und wird bis zum 15. Januar 2017 in Museum und Park Kalkriese zu sehen sein.

Weitere Infos zu der Ausgrabung gibt es hier.

Quelle:
Dr. Utz Lederbogen
Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Osnabrück

OP-Eingriffe in der Bronzezeit

Im Rahmen eines Projekts des Deutschen Archäologischen Institutes mit russischen Kooperationspartnern sind in den letzten Jahren in Südrussland intensive Forschungen zu Bronzezeitlichen Bestattungen durchgeführt worden. Im Fokus stehen dabei 13 Schädel, die etwas gemeinsam haben: Sie alle weisen an identischer Stelle ein Trepanationsloch, eine chirurgische Schädeleröffnung, auf.

Nun stehen die Forscher vor allem vor einer Frage: Warum ließen sich diese Menschen den Schädel öffnen, unterzogen sich einer Operation, die ohne die modernen medizinischen Methoden, ohne Anästhesie, gefährlich, wenn nicht sogar tödlich ist?  Obwohl diese Stelle aus anatomischen Gründen das höchste Operationsrisiko hat, überlebten die meisten der Patienten den Eingriff. Wegen der speziellen Lokalisation und der Tatsache, dass keine Spuren von Trauma oder Krankheiten am Schädel sichtbar waren, vermuten Anthropologen des Deutschen Archäologischen Instituts rituelle Gründe der Operation.

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Gute verheilte und lange überlebte Trepanation (Julia Gresky/Deutsches Archäologisches Institut)

Chirurgische Schädeleröffnungen belegen die frühen medizinischen Kenntnisse und Fertigkeiten der Menschen seit mehr als 10.000 Jahren.
Es gibt viele Gründe für die Eingriffe, sie reichen von medizinisch indizierten Operationen bis zu rituellen Motiven. Es ist sehr schwierig und meistens sogar unmöglich, die Gründe für eine Operation an einem Schädel zu erkennen. Ist die Ursache ein Trauma, sind möglicherweise noch Bruchlinien am Schädel zu sehen. Handelt es sich um eine Krankheit wie Epilepsie oder Migräne oder um rituelle Gründe, sind am Knochen keine Hinweise auf den Operationsgrund sichtbar.

Bei den anthropologischen Untersuchungen wurden an 13 Schädeln Trepanationen gefunden. Alle Löcher lagen an derselben Stelle, mittig, leicht oberhalb des Hinterhauptes. Die Schädel wurden lupenmikroskopisch sowie mit Röntgen- und Computertomographischen Methoden untersucht, um Informationen zur Größe und Position der Läsionen, aber auch zur Operationstechnik, zum Heilungszustand und zu möglichen Komplikationen zu gewinnen.

Die Operationen wurden mit zwei unterschiedlichen Techniken durchgeführt: Entweder wurde das Loch durch Schaben mit einem scharfen Gegenstand oder durch Ausschneiden eines rundlichen Knochenstückes erzeugt. Es wurden etwa gleich viel Männer und Frauen im Alter zwischen 10 und 60 Jahren operiert. Die meisten Patienten überlebten die Operation für einen langen Zeitraum. Die immer gleiche Lokalisation der Löcher am Schädel ist eine unübliche Beobachtung für Trepanationen. Hinzu kommt, dass gerade dieser Platz aufgrund anatomischer Besonderheiten zu den gefährlichsten für eine Schädeleröffnung gehört. Die Tatsache, dass die meisten Patienten die Operation trotzdem überlebten, zeigt, dass es sich um spezialisierte Operateure gehandelt haben muss, die diese Lokalisation am Schädel trotz der Risiken absichtlich wählten. Dieses sowie die fehlenden Hinweise auf Frakturen oder Erkrankungen am Schädel deuten auf einen eher rituell begründeten Operationsgrund hin. Die Region in Südrussland scheint neben anderen europäischen Regionen ein weiteres Zentrum für Trepanationen zu sein.

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Quelle:
Nicole Kehrer
Pressestelle
Deutsches Archäologisches Institut

12 Mio Euro für „TransformationsDimensionen“

Großer Erfolg für die Spitzenforschung in Schleswig-Holstein: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) 1266 „TransformationsDimensionen“ in den kommenden vier Jahren mit insgesamt 12 Millionen Euro. 

In dem Verbundprojekt kooperieren 30 Forscherinnen und Forscher aus acht Instituten und der Johanna-Mestorf-Akademie der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) sowie vom Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie und vom Archäologischen Landesmuseum Schloss Gottorf.

Der SFB 1266, vollständiger Titel „TransformationsDimensionen: Mensch-Umwelt-Wechselwirkungen in Prähistorischen und Archaischen Gesellschaften“, will Übergangsprozesse von 15.000 vor bis zum Beginn unserer Zeitrechnung untersuchen. „Uns interessieren substanzielle, dauerhafte Veränderungen im Spannungsfeld vom Menschen und der Umwelt, die ihn umgibt“, erläutert Müller. Von Jägern und Sammlern bis zu frühen Staatengebilden, vom paläolithischen Camp bis zur ägäischen Polis erstreckt sich die Forschung bezüglich gesellschaftlicher Veränderungen, geografisch reicht sie vom Mittelmeer bis zur Arktis. „Die Verbindung aus kultur-, natur- und lebenswissenschaftlichen Methoden im interdisziplinären SFB war der Schlüssel zum Erfolg“, erklärt Kirleis.

Der SFB 1266 gliedert sich in 18 Teilprojekte. Jedes dieser Teilprojekte ist einem der vier übergreifenden Foki zugeordnet: „Theorien und Modellierung“, „Transformationen sozio-ökonomischer Gebilde“, „Mensch-Umwelt-Komponenten des Wandels“ und „Setting the Frame“. Dazu kommt je eine Einheit für Verwaltung und Koordination, Datenmanagement und Präsentation sowie für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Planungen umfassen Ausgrabungen und Feldarbeiten von Südskandinavien bis in die Ägäis, von Spanien bis in die Ukraine. Zahlreiche neue Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ausgrabungen und Laboruntersuchungen werden im Rahmen des SFB 1266 finanziert.

Quelle:

Dr. Boris Pawlowski
Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

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Einwanderung am Ende der Eiszeit

Forscher schreiben die genetische Geschichte der Menschen in Europa neu – auch mithilfe von Proben aus den Höhlen der Schwäbischen Alb.

Die einzige bis heute überlebende Menschenart, der anatomisch moderne Mensch, erreichte Europa erstmals vor rund 45.000 Jahren. Hier lebte er ununterbrochen bis heute – doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Das verraten die Gene. Eine groß angelegte genetische Studie an Überresten von 51 Menschen, die vor 45.000 bis 7.000 Jahren lebten, ergab eine Reihe von überraschenden Befunden aus der komplexen Urgeschichte der Europäer. So muss es am Ende der Eiszeit vor rund 14.500 Jahren eine Wanderungsbewegung von Menschen aus dem Nahen Osten nach Europa gegeben haben, auf die bis vor kurzem jeglicher Hinweis fehlte. An der Studie war ein großes Forscherteam beteiligt, darunter eine Arbeitsgruppe von der Universität Tübingen unter der Leitung von Professor Johannes Krause, der auch Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena ist. Unter den untersuchten frühen Europäern waren sieben Individuen, deren Überreste aus Höhlen der Schwäbischen Alb stammen. Die Studienergebnisse wurden in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

„Das Klima hat immer wieder Einfluss auf das Überleben und die Wanderungsbewegungen der modernen Menschen genommen“, sagt Johannes Krause. In Europa lebten sie sogar während des letzten Kaltzeitmaximums vor 25.000 bis 19.000 Jahren, als große Teile des Kontinents von Eis bedeckt waren. Doch die Forscher wussten aus früheren Untersuchungen, dass das Überleben teilweise nur in einzelnen Refugien möglich war. Solche Zurückdrängung und Wiederausbreitung spiegelt sich in den Genen. Um mehr zu erfahren, analysierte das Forscherteam in der neuen Studie das gesamte Erbgut der 51 prähistorischen Menschen. „Solche umfassenden genomweiten Daten lagen bisher nur für einige wenige Menschen aus der Zeit von der ersten Besiedlung Europas bis zum Einsetzen der Landwirtschaft vor rund 8.500 Jahren vor“, erklärt Johannes Krause. Denn die Analyse alter DNA ist in mehrerer Hinsicht eine große Herausforderung. Zum einen ist das Erbgut aus Jahrtausende alten menschlichen Überresten stark zerfallen und muss aufwendig rekonstruiert werden, zum anderen ist es mit der DNA von Mikroorganismen und möglicherweise von heute lebenden Menschen verunreinigt. Nur mithilfe der in den letzten Jahren stark verbesserten Verfahren und bei sorgfältiger Zuordnung der Erbinformationen erhalten die Forscher belastbare Ergebnisse.

„Besonders überraschend war ein Befund, der die Urgeschichte revolutioniert: In der Warmzeit vor 14.500 Jahren erscheint eine neue genetische Komponente in Europa, deren Spur in den Nahen Osten führt“, sagt Cosimo Posth, der die schwäbischen Knochen im Rahmen seiner Doktorarbeit im Labor in Tübingen aufarbeitete. Die genetischen Neuerungen bei den Europäern hatten zuvor andere Wissenschaftler mit Bevölkerungsumwälzungen in Europa selbst erklärt. „Doch nun ist klar, dass Menschen aus dem Nahen Osten nach Europa eingewandert sind und so bei der Vermischung ein neuer Genpool entstand.“

Weiterhin ergaben die Analysen, dass die frühesten modernen Menschen in Europa nicht substanziell zur Genausstattung heutiger Europäer beitrugen. Wie bereits eine frühere Studie anhand der Mitochondrien-DNA gezeigt hatte, stammen alle Individuen, die zwischen 37.000 und 14.000 Jahren alt sind, von einer einzelnen Gründerpopulation ab, die auch die Vorfahren heutiger Europäer bilden. „Wir sehen aber auch eine Kontinuität zwischen den ersten modernen Menschen Europas, die vor 40.000 bis 32.000 Jahren die wunderbare Kunst der Schwäbischen Alb geschaffen haben, und den Bewohnern West- und Zentraleuropas nach der Eiszeit, vor 18.000 bis 14.500 Jahren“, erklärt Krause. Zwischendurch habe sich eine Population hineingemischt, bekannt als Mammutjäger Osteuropas, die aber durch die Eiszeit vor 23.000 bis 19.000 Jahren zurückgedrängt worden sei. Das komplexe Bild der Genetik europäischer Menschen wollen die Forscher im nächsten Schritt mit ähnlichen Genomanalysen von urgeschichtlichen Menschen aus Südosteuropa und dem Nahen Osten weiter vervollständigen.

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Quelle:
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

Königsgrab von Seddin

Das Königsgrab von Seddin steht im Mittelpunkt der dritten Veranstaltung in der Reihe „Topoi im Museum“, die im Märkischen Museum der Stiftung Stadtmuseum Berlin stattfindet.

Im Märkischen Museum werden seit der Entdeckung des Hügelgrabs in der Prignitz Ende des 19. Jahrhunderts die kostbaren Grabbeigaben aufbewahrt. Jens May, Gebietsarchäologe für das nordwestliche Brandenburg am Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischem Landesmuseum und Mitglied des Exzellenzclusters Topoi, wird über die Ergebnisse neuester archäologischer Grabungen sprechen, die zeigen, auf welch komplexe Weise der Hügel 800 v. Chr. errichtet wurde.

In der Ausstellung im Märkischen Museum ist ein Teil der Fundstücke zu sehen, die der damalige Direktor Ernst Friedel 1899 für das Museum sicherte. Das Stadtmuseum Berlin wird diese zur Veranstaltung zeigen.

Bei der Vortragsreihe „Topoi im Museum“ stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Forschungsthemen aus dem Exzellenzcluster Topoi in Berliner Museen vor. Ziel der Reihe ist es, den Besuchern der Museen über aktuelle Forschungsergebnisse der Altertumswissenschaften auch andere Betrachtungsweisen auf zum Teil bekannte Sammlungsobjekte zu erschließen.
1899 stießen Arbeiter bei Chaussee-Bauarbeiten in der Prignitz auf ein prähistorisches Herrschergrab, das sogenannte Königsgrab von Seddin. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zunächst die Grabkammer mit dem „Königsschatz“: Urnen und Schmuck, die zum Teil heute noch im Märkischen Museum zu sehen sind. Den Grabhügel hielt man für einen aufgeschütteten Erdhügel. Nach jüngsten archäologischen Forschungen muss er jedoch als eine Art frühes Monumental-Bauwerk beurteilt werden, das auf komplexe Weise aus Steinen und Sand aufgeschichtet ist. In einem Forschungsprojekt des altertumswissenschaftlichen Exzellenzclusters Topoi wird seit einigen Jahren nicht nur die Bauweise des Grabmals erforscht, sondern auch die Rituallandschaft, in welcher es vor fast 3000 Jahren entstanden ist. Das Projekt ist zudem eingebunden in eine größere Arbeitsgruppe zu Großbauten in der Antike im Exzellenzcluster; so erschließen sich weitere Bezüge etwa zur Kurganen, den größeren Grabhügeln in der eurasischen Steppe.

Der Exzellenzcluster Topoi bündelt die Stärken Berlins in der Erforschung der Antike und ist ein Kooperationsprojekt der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, dem Deutschen Archäologischen Institut, dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Zeit, Ort und Programm
– Dienstag, 5. April 2016, 18.00 Uhr
– Das Königsgrab von Seddin – Ein Monumentalbauwerk der Bronzezeit
– Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, 10179 Berlin, U-Bhf. Märkisches Museum (U2)
– Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung unter public.relations@topoi.org wird gebeten.

Weitere Infos zu der Veranstaltungsreihe gibt es hier.

Das kulturelle Erbe nicht vergessen

Die aktuellen Zerstörungen vieler Kulturstätten im Irak, in Syrien und im Jemen führen zum Verlust materieller Kultur – aber auch kultureller Identität.Verschiedene Institutionen versuchen, den verheerenden Folgen dieser Zerstörungen entgegenzuwirken. So baut derzeit die Gerda-Henkel-Stiftung gemeinsam mit dem Archäologen Thomas M. Weber-Karyotakis ein Kulturzentrum für syrische Flüchtlinge und die Bewohner des jordanischen Umlandes auf. Es soll ihnen helfen, die Geschichte und Tradition ihres Landes nicht zu vergessen.

Zum sehr lesenswerten Interview (geführt von der Welt am Sonntag) mit Herrn Weber-Karyotakis geht es hier.

Symposium: Dealing with Damage

Die Zerstörung der jahrtausendealten Kulturstätten im syrischen Aleppo und Palmyra sind aktuelle Beispiele dafür, dass Kriege nicht nur Menschenleben fordern, sondern auch den Verlust von materieller Kultur und kultureller Identität mit sich bringen. Auf dem Symposium „Dealing with Damage“ an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) diskutieren am 1. Februar 2016 Experten und Expertinnen den Umgang von Museen mit Verlusten von Kulturgut. 

Museen und Gedenkstätten stehen als kulturelle und soziale Institutionen in einer konkreten Verantwortung. Welche Möglichkeiten haben sie, Verluste wie die in Palmyra und Aleppo zu dokumentieren und aufzuarbeiten? Wie lassen sich diese Verluste auffangen oder gar kompensieren? Auf welchen Wegen können kulturell wertvolle Objekte gesichert beziehungsweise außer Landes gebracht werden? Und ist es überhaupt legitim, angesichts des Mordens an der syrischen Bevölkerung über Maßnahmen nachzudenken, die sich nicht zuerst und ausschließlich auf den Schutz der Menschen richten?

Während sich der erste Themenkomplex des Symposiums den Möglichkeiten der Sicherung und Dokumentation widmet, geht es im zweiten Teil um die Rolle und Bedeutung von Museen als Ausstellungsorte. Mit welchen Herausforderungen sind sie bei der Vermittlung von Zerstörung und Terror konfrontiert? Wo stoßen sie – auch an ethische – Grenzen der Darstellbarkeit?

Der Syrienexperte Prof. Dr. Kay Kohlmeyer berichtet über die Zerstörung von Kulturgut durch den Islamischen Staat in Aleppo. Issam Ballouz und Karin Pütt stellen das „Syrian Heritage Archive Project“ vor, bei dem Kulturgüter anhand von vorhandenen Daten erfasst und für die Nachwelt gesichert werden. Isber Sabrine fragt danach, welchen Beitrag die Zivilgesellschaft außerhalb eines Krisen- und Kriegsgebietes zum Erhalt von Kulturgütern leisten kann. Felicitas Heimann-Jelinek behandelt die Frage grenzüberschreitender Präsentationsformen. Per Video-Konferenzschaltung spricht Tom Hennes, Ausstellungsdesigner aus New York. Das Symposium endet mit einer Podiumsdiskussion, moderiert von Prof. Dr. Dr. Fless, der Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts.

Weitere Infos zu dem Symposium gibt es hier.

Quelle:
Gisela Hüttinger
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Ältestes Textzeugnis schiitischer Ismailiten

Das vermutlich älteste Textzeugnis der schiitischen Ismailiten liegt in der Universitätsbibliothek Leipzig. Die ungewöhnliche Geschichte dieser Handschrift wird am 12. Januar 2016 um 19 Uhr in der Bibliotheca Albertina vorgestellt von Prof. Verena Klemm und Cornelius Berthold vom Orientalischen Institut der Universität sowie von Dr. Bernd Kromer vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim, in dem die wertvolle Handschrift untersucht wurde.

Das „Buch des Schmucks“ (Kitāb az-Zīna) ist eine arabische Religionsenzyklopädie aus dem frühen 10. Jahrhundert. Sie wurde im Nordiran von Abū Ḥātim ar-Rāzī verfasst, der zu den Missionaren der Ismailiten zählte. Diese schiitische Splittergruppe versuchte damals – meist aus dem Untergrund heraus – das ihrer Meinung nach unrechtmäßige Kalifat in Bagdad zu stürzen. Das Kitāb az-Zīna ist dem Anschein nach unparteiisch, wirbt aber auch für die ismailitische Religionsauffassung.

Fragmente der Enzyklopädie sind in einer mehrteiligen Handschrift der Universitätsbibliothek Leipzig enthalten, die in den vergangenen Jahren im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft intensiv erforscht wurde. Vor ihrer Restaurierung im Jahre 2006 war der fragmentarische Charakter der Handschrift noch deutlich zu sehen: Fehlende Buchdeckel, verschiedene Schreiberhände am Anfang, Ende und im Hauptteil sowie zahlreiche lose Blätter. Dies alles deutet auf eine ungewöhnliche Geschichte hin, in die in den vergangenen Jahren Licht gebracht werden konnte. 2015 wurde die Handschrift einer Radiokarbondatierung am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie unterzogen. Das Ergebnis dieser sogenannten C14-Analyse legt eine Entstehung im frühen 11. Jahrhundert nahe. Demnach wäre sie nur ein Jahrhundert nach dem Tod des Autors abgeschrieben worden. Das macht das Leipziger Fragment zur ältesten bekannten ismailitischen Handschrift überhaupt.

 

Quelle:
Susann Huster
Pressestelle
Universität Leipzig

Goldene Totenmaske Tutanchamuns wieder öffentlich zugänglich

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Die goldene Totenmaske nach ihrer Restaurierung (Foto: Christian Eckmann, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz)

Er ist die weltweit bekannteste archäologische Entdeckung: der Grabschatz des Königs Tutanchamun. 1922 von dem britischen Archäologen Howard Carter im Tal der Könige in Luxor getätigt, zählen die Funde seitdem zu den Sammlungen des Ägyptischen Museums in Kairo. Als wichtigstes Ausstellungsstück gilt die goldene Totenmaske des Königs mit Nemes-Kopftuch und königlichem Zeremonialbart. Im Herbst 2014 löste sich eine in den 1940er Jahren vorgenommene Befestigung des Bartes bei Reinigungsarbeiten. Da eine neue Befestigung nicht zufriedenstellend ausfiel, lud der ägyptische Minister für Antiken, Prof. Dr. Mamdouh Eldamaty, Vertreter des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo und des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz ein, die Maske im Rahmen einer ägyptisch-deutschen Arbeitsgruppe zu restaurieren und archäologisch-technologisch zu analysieren. Jetzt ist die Totenmaske der Öffentlichkeit wieder zugänglich. In einem Festakt kehrte sie in ihre Vitrine im Ägyptischen Museum in Kairo zurück. Die wissenschaftlichen Restaurierungsarbeiten wurden zu gleichen Teilen durch Mittel aus dem Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amts und durch eine Förderung der Gerda Henkel Stiftung ermöglicht. Klebstoff-Forscher der Henkel AG & Co. KGaA, Experten der Hochschule Mainz (i3) und namhafte Spezialisten auf dem Gebiet der Archäometrie stellten für das Vorhaben ihre Expertise zur Verfügung.

Im Rahmen der Zeremonie in Kairo sprachen der Direktor des Ägyptischen Museums Prof. Dr. Khaled el-Enany, der Minister für Antiken Prof. Dr. Mamdouh Eldamaty, der Beauftragte für Auswärtige Kulturpolitik, Auslandsschulen und Netzwerk Deutsch des Auswärtigen Amts Michael Reiffenstuel, der verantwortliche Restaurator Christian Eckmann sowie der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts Kairo Prof. Dr. Stephan Seidlmayer. Dieser dankte den ägyptischen Partnern und wies auf „die Fülle neuer Erkenntnisse in Bezug auf die Herstellung und den Aufbau der Maske“ hin, die im Rahmen der Arbeiten gewonnen worden seien. „Der goldenen Maske konnte auf diese Weise ihre historische Identität zurückgegeben werden.“

Quelle:
Dr. Sybille Wüstemann
Geschäftsstelle
Gerda Henkel Stiftung

Workshops zu Kulturerhalt und Naturschutz

Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) führt zusammen mit dem Institut für Archäologie der Universität Hamburg und Partnern vor Ort in Jordanien neuartige Workshops für Kinder durch, die Natur- und Denkmalschutz miteinander verbinden. Die Programme sollen das Bewusstsein für Umwelt und kulturelles Erbe stärken und sowohl in jordanischen Gemeinden wie auch in Lagern für syrische Flüchtlinge angeboten werden.
Entwickelt wurde das Programm von DAI-Bauforscherin Claudia Bührig und dem Experimentalarchäologen Frank Andraschko von der Universität Hamburg. Es startete im Frühjahr in Umm Qays, im Norden Jordaniens, direkt an der Grenze zu Syrien. Die Kleinstadt beherbergt die archäologischen Stätten der 2000 Jahre alten hellenistisch-römischen Gadara, wo deutsche Archäologen seit 50 Jahren forschen. Über 200 begeisterte Schülerinnen und Schüler der örtlichen Grundschule nahmen an einem praktischen hands-on-workshop zum prähistorischen Feuermachen, Bogenschießen und zur Schmuckherstellung teil. Dabei lernten sie die eigene Geschichte auf völlig neue Art kennen. Ende Oktober luden die deutschen Forscher die Dorfgemeinschaft zum Tag der offenen Ausgrabung ein und berichteten über die Ergebnisse der neuesten Arbeiten.
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit den bereits durchgeführten Programmen werden deutsche und jordanische Partner, darunter das Children’s Museum of Jordan in Amman, das Gadara ´Umm Qays´ Cultural Forum und die Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN), unterstützt von UNICEF und UNESCO, in den nächsten Jahren ein Bildungsprogramm zur Kulturregion Jordanien und Syrien entwickeln, um jungen Menschen das kulturelle Erbe der Region zu vermitteln. Es wird sowohl in jordanischen Gemeinden wie auch in Lagern für syrische Flüchtlinge angeboten.

Große Teile der Aus- und Weiterbildung finden an den antiken Stätten Jordaniens statt.
Große Teile der Aus- und Weiterbildung finden an den antiken Stätten Jordaniens statt. (C. Hartl-Reiter / DAI)

Parallel dazu wird im Rahmen der geplanten Sicherung und Konservierung des Westtheaters in Gadara ein Trainingsprogramm für jordanische und syrische Handwerker und junge Erwachsene aufgebaut, in dem traditionelle Steinmetztechniken in einem konkreten Vorhaben vermittelt und eingeübt werden.
Beide Maßnahmen beinhalten nicht nur Vermittlungs- und Ausbildungsaspekte, sondern werden auch in den Aufbau ökotouristischer Angebote einfließen, die bereits von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) initiiert wurden. Insgesamt soll Gadara/Umm Qays als Modellregion für eine nachhaltige Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung des kulturellen Erbes und des Naturschutzes dienen.
Karin Bartl von der Orient-Abteilung des DAI, Außenstelle Damaskus, derzeit Amman, hat das Vorhaben mit auf den Weg gebracht: „Ich freue mich, dass unsere archäologischen Forschungen und Erfahrungen Grundlage für dieses neue Kulturvermittlungsprojekt und die restauratorische Fortbildungsmaßnahme sind und denke, dass wir uns damit auf einem guten Weg befinden“.

 

Weitere Infos zu dem Programm gibt es hier.

 

Nicole Kehrer M.A.
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Archäologisches Institut