Zurück! Steinzeit. Bronzezeit. Eisenzeit.

Heute wurde die neue Dauerausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum feierlich eröffnet. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Allein schon wegen der besonderen Architektur des Gebäudes, der wunderbaren Verbindung von historischer Substanz mit modernen Materialien und schlichten Formen, komme ich immer wieder gern an diesen Ort.

Mit der heutigen Eröffnung beginnt „das Erlebnis, die ältesten Epochen der Menschheitsgeschichte in einer Ausstellung lebendig werden zu lassen.“, so heißt es im Programm. Klingt vielversprechend. Der Rundgang startet im Roten Saal. Gleich beim Betreten des Raumes habe ich tatsächlich das Gefühl, in die Vergangenheit gereist zu sein, wenn auch nicht bis zum Ursprung der Menschheitsgeschichte, sondern „nur“ etwa 150 Jahre zurück. Im Roten Saal werden die größten und bedeutendsten Sammlungen, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert den Grundstock des Museums für Vor- und Frühgeschichte bildeten, in traditionellen Vitrinen präsentiert. Ganz im Ambiente einer Studiensammlung des 19. Jahrhunderts.

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Archäologie in Berlin (LH)

Einen absolut erfrischenden Kontrast dazu bildet der nächste Raum mit aktuellen Funden aus dem Zentrum von Berlin. Hier gibt es Objekte wie mittelalterliche Keramik bis hin zu verrosteten Soldatenhelmen aus dem Zweiten Weltkrieg. In der modernen archäologischen Forschung geht es eben schon längst nicht mehr nur um „alte“, längst vergangene Epochen!

 

Unmittelbar hinter den Funden aus dem Zweiten Weltkrieg wird der Besucher zurück in die frühen Kapitel der Menschheitsgeschichte geführt. Kaum habe ich den Raum betreten, blicke ich direkt in die Augen des Neandertalers aus Le Moustier. Die auf der Grundlage aktueller Forschungen erstellte Gesichtsrekonstruktion wirkt ergreifend lebendig. In Zusammenarbeit mit Fachspezialisten und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte wurden anhand des Schädels und der vermuteten Lebensumstände des ca. 11-jährigen Neandertalerjungen die physiognomischen Merkmale und die zu erwartende Dicke der Weichteilauflagen erarbeitet.

 

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Ergreifend echt: Der Neandertaler aus Le Moustier. (LH)

 

In rauhen Mengen wird im nächsten Raum das neue, der folgenden Epoche seinen Namen gebende Material präsentiert: Bronzegegenstände, wohin ich auch blicke. Die Anordnung der Großvitrinen erfolgt wie in einer Prozessionsstraße und gibt die Sicht auf den berühmten Berliner Goldhut frei.

Zeremonialhut aus der Bronzezeit (LH)
Zeremonialhut aus der Bronzezeit (LH)

 

Den Abschluss der Dauerausstellung bilden die Funde aus der Eisenzeit. Die Eisenverhüttung, die Gesellschaft und Kultur nachhaltig veränderte, wird nicht nur durch historische Fundobjekte aus Eisen dokumentiert. Der Vorgang der Verhüttung von Eisenerz in sogenannten Rennöfen aus Lehm ist für die Besucher in allen Schritten nachvollziehbar; vermittelt wird so ein Eindruck von dessen technischer Komplexität.

 

Zwischendurch komme ich an einer „Zeitmaschine“ vorbei. In dieser Videoinstallation ist die vorgeschichtliche Entwicklung des Menschen zu sehen, dargestellt in Aquarellbildern mit fiktiven Landschafts-Ausschnitten. Während des Filmes entdecke ich immer wieder Exponate aus der Ausstellung, wie zum Beispiel den Zeremonialhut aus der Bronzezeit. Es wird nachvollziehbar, welche Rolle diese Exponate im Leben unserer Vorgänger gespielt haben. Hier zeigt sich die Grundidee der Ausstellung: Eine spannende Reise zu den frühen Epochen der Menschheitsgeschichte in Europa.

Eine Reise in die früheste Menschheitsgeschichte. (LH)
Eine Reise in die früheste Menschheitsgeschichte. (LH)

 

Die Präsentation von Sammlungen und Aufstellung von Exponaten ist nach wie vor eine große Herausforderung für WissenschaftlerInnen und AusstellungsgestalterInnen. Denn das moderne Bild von den ältesten Epochen der Menschheitsgeschichte wird immer detaillierter, eine übersichtliche Darstellung hiervon immer schwieriger. Diesem Anspruch wird die neue Dauerausstellung in jedem Fall gerecht. Sie schafft es, die Objekte und ihre jeweiligen Kontexte anschaulich und spannend zu vermitteln, und zwar für alle Besucher – egal, ob jung oder alt. Ganz im Einklang mit diesem Ziel fand zur heutigen Eröffnung gleichzeitig auch ein Familientag mit einem umfangreichen Bildungs- und Vermittlungsprogramm im Kolonnadenhof statt.

Steinzeit erfahrbar machen für Jung und Alt. (LH)
Steinzeit erfahrbar machen für Jung und Alt. (LH)

 

Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 18 Uhr

Adresse: Neues Museum (Museumsinsel), Besuchereingang: Bodestraße 1-3, 10178 Berlin

 

Weitere Infos zum Neuen Museum gibt es hier.

Besuch im Neuen Museum

Sonntag Nachmittag auf der Museumsinsel in Berlin: Seit etwa zehn Tagen ist die Sonderausstellung „Pergamon – Panorama einer antiken Metropole“ geöffnet. Die Warteschlangen reichen vom Museum bis zur Straße. Damit sie nicht kürzer werden, befördern Reisebusse im Minutentakt weitere Menschenmassen an den Ticketstand. Die Ausstellung lockt mit vielen Skulpturen, Gemälden und einem spektakulären 360 ° Panorama. Ich gehe am Pergamonmuseum vorbei und nehme mir vor, die Ausstellung bald zu besuchen – nur bestimmt nicht heute. Ich biege in die nächste Straße ein und steuere zielstrebig auf das Neue Museum zu.

Neben der spektakulären Sonderausstellung im Pergamonmuseum wirkt eine weitere Ausstellung im Bode-Museum derzeit wie ein Besuchermagnet. Es ist also der beste Zeitpunkt, um andere, ruhigere Orte auf der Museumsinsel aufzusuchen – beispielsweise das Neue Museum. Der Kontrast zur Situation vor dem Pergamonmuseum könnte nicht größer sein: Lediglich zwei Damen stehen in der Warteschlange vor mir. Nach drei Minuten halte ich bereits mein Ticket in der Hand. Zwei Minuten später betrete ich den ersten Raum.

Im Neuen Museum sind das Ägyptische Museum und Papyrussammlung sowie das Museum für Vor- und Frühgeschichte mit Objekten der Antikensammlung beheimatet. Heute will ich vor allem das Gebäude und seine Architektur kennenlernen.

Die Geschichte des Bauwerks beginnt im Jahre 1840. Weil die Räume des Alten Museums für die Präsentation der wachsenden Sammlungen nicht mehr genügend Platz boten, beauftragte Friedrich Wilhelm IV, König von Preußen, den Architekten Friedrich August Stüler mit der Planung des Neuen Museums. Architektur und Raumgestaltung waren als ein begehbares Kompendium der Kulturen von der Steinzeit bis in die Neuzeit gedacht. Das Konzept zielte auf ein lückenloses Bild der historischen und künstlerischen Entwicklung ab: Neben Originalobjekten standen viele Repliken. Zudem lieferten dekorative Wandbilder historische Hintergrundinformationen. Passend zur jeweiligen Ausstattung erhielten die Räume Namen wie „Vaterländischer Saal“ oder „Griechischer Hof“.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Neue Museum schwer beschädigt. Der eigentliche Wiederaufbau des Museums begann nach einer längeren Vorbereitungsphase schließlich 2003. Die Leitung hierfür übernahm der britische Architekt David Chipperfield. Er verzichtete auf die Rekonstruktion verlorener Innenausstattungen. Stattdessen ergänzte Chipperfield die historische Substanz mit modernen Materialien und schlichten Formen.

Meine Eindrücke habe ich in folgenden Bildern festgehalten.

Blick auf die Treppenhalle (LH)
Sichtbare Spuren der Vergangenheit (LH)
Im Ethnopraphischen Saal (LH)
Blick in den Ägyptischen Hof (LH)
Im Apollosaal (LH)
Studiensammlung im Stil des 19. Jahrhunderts (LH)
Aussicht von der dritten Ebene (LH)
Berliner Skulpturenfund im Griechischen Hof (LH)