Zerstörungsfreie Methode datiert Felskunst im Amerikanischen Westen

In Stein gravierte menschenähnliche Wesen, fantastische Tiergestalten oder geometrische Muster: Felsbilder sind oft Jahrtausende alt und erlauben uns einzigartige Einblicke in die geistige Welt unserer Vorfahren. Die zeitliche Einordnung dieser Felsgravuren, auch Petroglyphen genannt, bleibt jedoch eine Herausforderung. Forschenden des Max-Planck-Instituts für Chemie ist es nun gelungen, ihre Methode zur Datierung von Felszeichnungen auf Nordamerika zu übertragen. Die Analysen zeigen, dass Felskunst im Great Basin, einer Region im Westen der U.S.A., über zwölf Jahrtausende erzeugt und kontinuierlich erneuert wurde.

Menschen griffen dabei immer wieder auf die gleichen Kunstwerke zu und versahen sie mit neuer Bedeutung, so die Erkenntnis.

(Tracey Andreae, MPI für Chemie)

Um das Alter der in die Felsen geritzten Figuren verlässlich einzuschätzen, ermittelten die Wissenschaftler von den Elementen Mangan und Eisen die Masse pro Fläche, die sogenannte Flächendichte, in der Felsoberfläche. Beide Stoffe sind in der Gesteinslack genannten Kruste enthalten, die sich auf Felsen als dünner, dunkler Überzug ablagerte. Nach dem Einritzen bildet sich diese Schicht erneut und wächst mit den Jahren. „Wir haben intakten Gesteinslack mit dem Lack de Gravuren verglichen und konnten diese so chronologisch einordnen“, erklärt Meinrat O. Andreae. Der emeritierte Direktor des Mainzer Instituts führte gemeinsam mit seiner Frau, der Biogeowissenschaftlerin Tracey Andreae, insgesamt 461 Messungen direkt vor Ort mithilfe eines tragbaren Röntgenfluoreszenzgerätes durch. Zudem wird der Gesteinslack durch die Messungen nicht zerstört oder angegriffen.

Vier Fundorte in Idaho, Wyoming, und im Süden von Montana

Das Team konzentrierte sich auf die Felskunst an vier Fundorten in Idaho, Wyoming und im Süden von Montana im nordöstlichen Teil des Great Basin. Hier liegt unter anderem das Kulturareal der Shoshonen-Indianer. In diesem Gebiet erstreckt sich die vielfältige Felskunst über eine breite Zeitspanne, die von der paläo-indianischen Epoche vor rund 15.000 Jahren bis in die jüngste Vergangenheit reicht. Ein weiterer Vorteil: Die Wissenschaftler konnten ihre eigene Methode durch Messungen von Felsgravuren ergänzen, deren Alter zuvor mithilfe unabhängiger, geochemischer Methoden datiert wurde. Beide Altersschätzungen stimmen überein und bestätigten sich somit gegenseitig. Auch der Abgleich mit anderem, archäologisch datierbarem Material an den Fundorten der Felskunst unterstützte die Altersschätzungen der Forscher.

Lineare, konstante Ablagerungsraten von Mangan im Felslack

Weitere Gewissheit über die korrekte Datierung erlangten die Forscher, indem sie ermittelten, auf welche Weise sich Mangan im Laufe der Jahrtausende im Felslack abgelagert hat. Sie vermuteten ein relativ gleichmäßiges Wachstum des Lackes. Zur Erhärtung dieser Hypothese zogen sie Analysen von Felsflächen zu Rate, von denen zweifelsfrei feststeht, wann sie sich gebildet haben. Im Great Basin erfüllen diese Bedingung zwei Arten von Oberflächen: Die melonenartig geformten Basalt-Felsbrocken im Snake River-Valley, die vor 14.500 Jahren geologisch abgetragen wurden, und zwei circa 2.000 Jahre alte Basaltlavaströme im Craters of the Moon National Monument. Tatsächlich waren die Ablagerungsraten zu beiden Zeiten nahezu konstant, was auf eine annähernd lineare Ablagerung schließen lässt.

(Meinrat Andreae, MPI für Chemie)

„Alle unsere Analysen lassen den Schluss zu, dass die frühesten Felszeichnungen bereits in der Übergangszeit vom Pleistozän zum Holozän, also vor rund 12.000 Jahren, entstanden sind und von den Ureinwohnern über Jahrtausende hinweg bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder überarbeitet wurden“, erklärt der Biogeochemiker Andreae.

Allein im Celebration Park, einem der Fundorte in Idaho, decken die Felsgravuren eine Spanne von rund 10.000 Jahren ab. Die frühesten Bilder dort waren abstrakte Formen. Später kamen repräsentative, gegenständliche Darstellungen hinzu. An anderen Orten wiederum dominierten die gegenständlichen Figuren zuerst und abstrakte Muster folgten später.

Breites Spektrum von Stilen und Motiven

Insgesamt machten Andreae und seine Frau an den Fundstätten ein breites Spektrum an Stilen und Motiven aus, angefangen von Strichzeichnungen abstrakter geometrischer Muster bis hin zu großen, menschenähnlichen Wesen, sogenannten Anthropomorphen.

„Mit unserer Methode stellen wir eine Verknüpfung zwischen den Natur- und Humanwissenschaften her. Sie ermöglicht Altersschätzungen für eine statistisch relevante, große Anzahl von Felskunst-Elementen – und das mit geringem Aufwand und vor allem ohne zerstörerische Probennahmen“, resümiert Andreae die Ergebnisse der Studie im Nordamerikanischen Becken. Weitere Expeditionen in Saudi-Arabien, wo es ebenfalls zahlreiche gut erhaltene Petroglyphen gibt, plant der Max-Planck-Forscher bereits.

Quelle:

Claudia Dolle

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Chemie

Wie sich Neandertaler an das Klima anpassten

Klimaveränderungen kurz vor ihrem Verschwinden lösten bei den späten Neandertalern in Europa eine komplexe Verhaltensänderung aus: Sie entwickelten ihre Werkzeuge weiter. 

Neandertaler lebten in einem Zeitraum von etwa 400.000 bis 40.000 Jahren in weiten Teilen Europas und des Nahen Ostens bis an den Rand Sibiriens. Werkzeuge stellten sie aus Holz und glasartigen Gesteinsmaterialien her, die sie zum Teil auch zu kombinierten, etwa um einen Speer mit einer scharfen und zugleich harten Spitze aus Stein zu versehen. Ab etwa 100.000 Jahren vor der heutigen Zeit war ihr Universalwerkzeug zum Schneiden und Schaben ein Messer aus Stein, bei dem der Griff bereits durch eine stumpfe Kante am Stück selber angelegt war. Solche sogenannten „Keilmesser“ gab es in verschiedenen Formen – und die Frage ist: Warum stellten Neandertaler ihre Messer auf so unterschiedliche Weise her? Benutzten sie die Messer für verschiedene Tätigkeiten oder stammen die Messer von verschiedenen Untergruppen der Neandertaler? Diese Thematik stand im Mittelpunkt des internationalen Forschungsprojekts.

Keilmesser als Antwort

„Keilmesser sind eine Reaktion auf die hochmobile Lebensweise während der ersten Hälfte der letzten Eiszeit. Sie ermöglichten durch Nachschärfen eine lange Nutzung und waren gleichzeitig ein Universalwerkzeug – fast wie ein Schweizer Survivalmesser“, sagt Prof. Dr. Thorsten Uthmeier vom Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der FAU. „Dabei wird aber oft vergessen, dass es nicht nur Keilmesser gab. Messer mit Rücken aus der Zeit der Neandertaler weisen eine überraschend große Variabilität auf“, ergänzt sein italienischer Kollege Dr. Davide Delpiano von der Sezione di Scienze Preistoriche e Antropologiche an der UNIFE. „Unsere Forschungen nutzen die Möglichkeiten der digitalen Analyse von 3D-Modellen, um auf statistischem Weg Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Messerformen herauszuarbeiten.“ Die beiden Wissenschaftler untersuchten Artefakte aus einer der wichtigsten Neandertaler-Fundstellen in Mittel-Europa, der Sesselfelsgrotte in Niederbayern. In der Grotte wurden bei Ausgrabungen durch den Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der FAU über 100.000 Artefakte und unzählige Jagdbeutereste des Neandertalers gefunden – sogar die Überreste einer Neandertaler-Bestattung konnten geborgen werden. Die wichtigsten messerartigen Werkzeuge analysierten die Forscher nun mit 3D-Scans, die in Kooperation mit Prof. Dr. Marc Stamminger und Dr. Frank Bauer vom Lehrstuhl für Informatik 9 (Graphische Datenverarbeitung) am Department Informatik der FAU angefertigt wurden. Sie ermöglichen eine millimetergenaue Aufzeichnung der Werkzeugform und -eigenschaften.

„Das technische Repertoire bei der Herstellung der Keilmesser ist nicht nur ein direkter Beweis für die hohen planerischen Fähigkeiten unserer ausgestorbenen Verwandten, sondern zugleich eine strategische Reaktion auf die Einschränkungen, die ihnen durch die Widrigkeiten der Natur auferlegt wurden“, sagt Uthmeier, FAU-Professor für Ältere Urgeschichte und Ökologie prähistorischer Jäger und Sammler.

Anderes Klima, andere Werkzeuge

Was Uthmeier als „Widrigkeiten der Natur“ bezeichnet, sind Klimaveränderungen nach dem Ende der letzten Warmzeit vor mehr als 100.000 Jahren. Besonders gravierende Kaltphasen während der darauffolgenden Weichsel-Kaltzeit begannen vor mehr als 60.000 Jahren und führten zu einer Verknappung der natürlichen Ressourcen. Um zu überleben, mussten die Neandertaler mobiler sein als zuvor – und ihre Werkzeuge anpassen.

Wahrscheinlich ahmten die Neandertaler die Funktionalität von unifazialen – also einseitig gestalteten – Messern mit Rücken nach und entwickelten auf dieser Grundlage die auf beiden Seiten behauenen, bifazial geformten Keilmesser. „Das zeigt sich insbesondere an Übereinstimmungen an der Schneide, die in beiden Fällen aus einer flachen Unterseite und einer konvexen Oberseite besteht und vor allem für Schneidaktivitäten mit Längsbewegung geeignet war – daher ist die Bezeichnung als Messer durchaus richtig “, sagt Davide Delpiano von der UNIFE.

Beide Messerarten – die älteren einfachen und die neu hinzukommenden, deutlich komplexeren Keilmesser – haben offensichtlich die gleiche Funktionalität. Der wichtigste Unterscheid zwischen den beiden untersuchten Werkzeugtypen ist die höhere Lebensdauer von Bifazial-Werkzeugen. Keilmesser repräsentieren daher ein Hightech-Konzept für ein langlebiges, multifunktionales Werkzeug, das ohne weitere Zusatzausstattung wie etwa einem Griff aus Holz benutzt werden konnte.

„Studien anderer Forschungsgruppen scheinen unsere Interpretation zu unterstützen“, sagt Uthmeier. „An einem Mangel an Innovationsfähigkeit oder planerischen Denkens, wie manchmal behauptet, kann das Verschwinden der Neandertaler jedenfalls nicht gelegen haben.“

Mehr Informationen zu den Forschungsergebnissen gibt es hier.

Quelle
Dr. Susanne Langer
Kommunikation und Presse
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Totenritual am Göbekli Tepe

Anthropologen des Deutschen Archäologischen Instituts entdecken rituelle Ritzungen an 11.000 Jahre alten menschlichen Schädeln.

Die Deutung des steinzeitlichen Kultplatzes Göbekli Tepe in der Südost-Türkei beschäftigt die Wissenschaft seit Jahrzehnten. Die monumentalen Anlagen mit ihren großartigen Tierornamenten weisen auch Darstellungen geköpfter Menschen auf, die auf eine Nutzung des Platzes im Rahmen von rituellen Handlungen deuten. Fragmente menschlicher Schädel, die im Bereich der Anlagen gefunden wurden, geben erste Hinweise auf einen neuartigen Totenkult.

Göbekli Tepe Südost-Senke
Göbekli Tepe Südost-Senke (Copyright DAI)

Vollständige Bestattungen fehlen bisher in Göbekli Tepe, allerdings konnten aus dem Füllmaterial, das sich in den großen Steinkreisen befand, etwa 700 menschliche Knochenfragmente geborgen werden. Abgesehen von anderen interessanten Veränderungen an den Knochen, wurden Schädelfragmente gefunden, die eine auffällige Besonderheit aufwiesen: Bei drei erwachsenen Individuen ziehen tiefe Ritzungen mittig über den Schädel. Die tiefen Kerben wurden grob mit Feuerstein geschnitten und sind vor allem an den prominenten Stellen der Schädel zu finden. Eine weitere Besonderheit ist ein gebohrtes Loch an der höchsten Stelle des besterhaltenen Schädels. Mikroskopische Untersuchungen belegen, dass alle Veränderungen nach dem Tod der Menschen durchgeführt wurden.

Was taten die Menschen vor 11.000 Jahren in den Steinkreisen zwischen den riesigen T-Pfeilern in Göbekli Tepe? Warum ritzten sie mit Feuerstein tiefe Spuren in die Schädel ihrer Vorfahren oder Feinde?

Der menschliche Schädel übt seit dem Paläolithikum bis heute eine besondere Faszination auf den Menschen aus. In vielen Gesellschaften werden die Schädel der Vorfahren oder der Feinde an einem besonderen Platz aufbewahrt oder ausgestellt. Zu diesem Zweck werden sie häufig aufwendig geschmückt. Die Schädel repräsentieren die Ahnen mit ihren beschützenden Eigenschaften oder aber auch die bösen Mächte der Feinde.
Im Neolithikum des Vorderen Orients spielte der Schädelkult eine wichtige Rolle. Auf verschiedenen Fundplätzen wurde bei vielen Bestattungen nachträglich der Schädel entfernt und an einem anderen Platz aufbewahrt. Schädel wurden häufig dekoriert, entweder durch Bemalung oder durch Nachbildung eines Gesichts aus Gips, der auf den Knochen aufgetragen wurde, wobei Muscheln die Augen bildeten.

Fragmente menschlicher Schädel mit Ritzungen
Fragment eines Schädels mit Ritzungen (J. Gresky/ Copyright DAI Zentrale)

Obwohl die Schädel von Göbekli Tepe nur stark fragmentarisch erhalten sind, lässt sich der Verlauf der Ritzungen rekonstruieren. Möglicherweise hatten sie eine praktische Funktion und dienten einer Schnur als Unterlage, mit der der Unterkiefer am Schädel befestigt wurde. Das Loch könnte eine Vorrichtung zum Aufhängen des Schädels gewesen sein. Abgesehen von dieser rein praktischen Interpretation ist auch eine Deutung der Ritzungen als aktiver Prozess der Stigmatisierung bestimmter Individuen möglich.

Auf die Wahrscheinlichkeit einer kultischen Bedeutung weist die Einzigartigkeit der Ritzungen der Schädelfragmente aus Göbekli Tepe hin. Sie lassen Rituale vermuten, die anscheinend eine große Bedeutung für die damalige Gesellschaft hatten und spezifisch für diesen Kultplatz waren. Die Tatsache, dass Vergleiche mit Schädelmodifikationen zeitgleicher Stätten im Vorderen Orient oder aus ethnographischen Berichten, keine Parallelen zeigen, unterstreicht die besondere Bedeutung der Schädelverzierungen und damit die Wichtigkeit des Fundplatzes Göbekli Tepe als kultisches Zentrum.

Göbekli Tepe ist Schwerpunkt eines DFG-Langzeitförderprojektes (Die frühholozäne Gesellschaft Obermesopotamiens und ihre Subsistenz) an der Orient Abteilung und der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Institutes. Darüber hinaus umfasst das Projekt wissenschaftliche Untersuchungen zur Archäozoologie (LMU München) sowie zur physischen Geographie (Freie Universität Berlin). Sämtliche Forschungsarbeiten erfolgen in enger Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für Kulturgüter und Museen des Ministeriums für Kultur und Tourismus in Ankara sowie mit dem Şanlıurfa Museum.

Weitere Infos zu den rituellen Ritzungen gibt es hier. 

Quelle:

Nicole Kehrer M.A.
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Archäologisches Institut

Was Feuersteine verraten können

Urgeschichtler der Universität Jena erforscht steinzeitliche Fundstellen in Westfalen.

Viele Spuren haben sie nicht hinterlassen, die Vormenschen, die nach der letzten Eiszeit auf dem Gebiet des heutigen Westfalen gelebt haben. Meist haben nur steinerne Artefakte bis heute überdauert.
Aus einer Reihe von Fundorten im Münsterland werden aktuell vier große und potenziell aussagekräftige Plätze von dem Archäologen Peter Balthasar von der Universität Jena untersucht.

Doktorand Peter Balthasar vom Bereich für Ur-und Frühgeschichte der Universität Jena erforscht steinzeitliche Fundstellen in Westfalen, aufgenommen in Jena am 19.05.2015. Foto: Anne Günther/FSU
Doktorand Peter Balthasar vom Bereich für Ur-und Frühgeschichte der Universität Jena erforscht steinzeitliche Fundstellen in Westfalen, aufgenommen in Jena am 19.05.2015. Foto: Anne Günther/FSU

„Unter 4.000 Artefakten lassen sich manchmal nur 50 bis 100 als Geräte einordnen“, sagt Peter Balthasar, der gerade an seiner Dissertation arbeitet. Die überwiegende Zahl der Fundstücke sind lediglich Werkabfälle, die jedoch detaillierte technologische Rückschlüsse zulassen. Zeitlich lassen sich die Fundorte einordnen: Sie werden auf die Zeit von 13.000 Jahre bis 10.000 Jahre vor heute datiert. Das heißt, der älteste Fundort wurde am Ende der letzten Eiszeit von den Vormenschen genutzt, der jüngste zu Beginn der Warmzeit, in der wir heute leben.

Die Arbeit von Peter Balthasar heißt „Untersuchung des Wandels der Steinartefaktgrundproduktion in der Westfälischen Bucht vom Spätpaläolithikum bis zum Mesolithikum“. Der Doktorand erhält dafür ein Stipendium des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.

Vorrangiges Ziel ist es, die technologische Entwicklung nachzuvollziehen. Zu den Fragen, die Balthasar klären möchte, gehören zudem jene nach den Aktivitätszonen an der Fundstelle sowie fundplatzinterne Dynamiken. „Lässt sich eine Entwicklung in der Technologie der Steinbearbeitung feststellen, gibt es Kontinuitäten oder Brüche?“, fragt Peter Balthasar.

So gebe es die – auf den ersten Blick verblüffende Tatsache – dass ältere Steinwerkzeuge auf komplexere Art und Weise hergestellt wurden als neuere Stücke. Eine Bewertung dieser Funde sei jedoch schwierig: „Wir schauen nach Technokomplexen, betreiben lediglich Grundlagenforschung“, sagt Balthasar. Wer die Menschen waren, die aus Feuerstein Werkzeuge fertigten, lasse sich nicht sagen. Nur ihre Geräte aus Stein haben überdauert. Fest stehe jedoch, dass sich aufgrund des rasch wandelnden Klimas große Veränderungen in der Technologie der Steinbearbeitung nachweisen lassen. Die genaue Einordnung, die Peter Balthasar gerade vornimmt, kann später wichtige Rückschlüsse an anderen Fundstellen ermöglichen.

 

Quelle:
Stephan Laudien
Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die steinzeitlichen Wurzeln der Schriftzeichen

Bereits vor 12.000 Jahren erschufen Steinzeitmenschen auf dem Berg Göbekli Tepe in der heutigen Türkei ein Höhenheiligtum, das sich einer entwickelten Bildsprache bediente. Prof. Dr. Ludwig Morenz, Ägyptologe an der Universität Bonn, stellt in seinem Buch dar, wie diese frühen Vorläufer der Schriftzeichen zu einer kulturellen Revolution im Denken und Handeln der Menschen führte.

Seit Urzeiten hat sich der Mensch für die Nachwelt verewigt: Vor Jahrzehntausenden hinterließen eiszeitliche Jäger ihre Höhlenmalereien. Über abstrakte Bildzeichen ging die Entwicklung allmählich weiter bis zur Schrift. Bereits vor mehr als 5.000 Jahren verwendeten die Altägypter Hieroglyphen als älteste Schriftzeichen. „Wie sich abstrakte Bildzeichen in Schriftzeichen wandelten, lag lange weitgehend im Dunkeln“, sagt Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Abteilung für Ägyptologie der Universität Bonn.

Mit den Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Schmidt von der Universität Erlangen-Nürnberg auf dem Berg Göbekli Tepe in Südanatolien kam ein steinzeitliches Heiligtum zum Vorschein. Nahe der heutigen türkischen Stadt Sanliurfa – dem antiken Edessa – errichteten Menschen gegen Ende der Eiszeit vor rund 12.000 Jahren mehrere monumentale Ringanlagen, die von T-förmigen, aus Kalkstein gefertigten Pfeilern beherrscht werden.

Fehlendes Bindeglied zwischen Bildern und Schrift

„Das Höhenheiligtum ist so etwas wie das fehlende Bindeglied zwischen Bildern und den ersten Schriftzeichen“, sagt Prof. Morenz, der zusammen mit Prof. Schmidt mehrere Jahre lang die in Göbekli Tepe entdeckten frühneolithischen Zeichen untersuchte. „Sie erlauben neue Einsichten in historische Tiefen der menschlichen Kommunikation.“ Häufig finden sich auf den T-Pfeilern in Flachreliefen dargestellte Tiere, darunter Schlangen, Skorpione, Füchse, Kraniche, Gazellen und Wildesel. Außerdem gibt es stärker abstrahierte Zeichen wie Tiere, Hände oder die Kombination aus Mondscheibe und -sichel.

„Es handelt sich dabei um einen Sprung in eine neue mediale Welt“, sagt der Experte für Bildersprache und Zeichentheorie. Immerhin sei diese frühe Form der Bildzeichen mehr als doppelt so alt wie die ältesten Schriftzeichen der Altägypter. Zum Ende der Eiszeit wurden Grundlagen gelegt, auf denen die spätere kulturelle Revolution aufbauen konnte. Prof. Morenz: „Göbekli Tepe steht für die Entwicklung von reinen Bildern zur Kodierung von darüber hinaus gehender Bedeutung.“ Während es sich bei der Darstellung eines Stieres etwa in der Höhle von Altamira in Spanien um das direkte Abbild des Tieres handelt, sei ein Stierkopf in dem Höhenheiligtum der Türkei von der primären Bildbedeutung losgelöst als abstraktes Symbol für eine Gottheit zu verstehen.

Bereits vor 12.000 Jahren gab es ein einheitliches Zeichensystem

Der Ägyptologe der Universität Bonn untermauert seine These mit der Tatsache, dass insgesamt rund 20 verschiedene Bildzeichen in ähnlicher Form auch noch in anderen frühneolithischen Fundorten im Umkreis von 150 Kilometern um das Höhenheiligtum Göbekli Tepe herum entdeckt wurden. In dieser fruchtbaren Landschaft zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris wurden Menschen früh sesshaft. Sie teilten in den verschiedenen Siedlungen mit leichten Abwandlungen die gleichen Bildzeichen. „Das kann kein Zufall sein, die Menschen dieses Kulturraumes müssen sich auf ein einheitliches Zeichensystem geeinigt haben“, ist Prof. Morenz überzeugt.

Die Bildzeichen könnten gleichzeitig mehrere Bedeutungen haben: Ein Schlange stehe einerseits für Bedrohung, könne aber auch als Zeichen für etwas Abwesendes verstanden werden – weil der Abdruck der Schlange im Sand verbleibt, wenn das Tier längst weitergezogen ist. Das Abbild einer abstrahierten Hand lasse sich als Geste – etwa von Abwehr – interpretieren. Manche Zeichen waren in kleine, flache Steine geritzt – quasi als „Heiligtum für die Hosentasche“. „Bei dieser frühen Bildsprache handelt es sich aber noch um keine Schriftzeichen“, stellt Prof. Morenz fest. Schriftzeichen seien noch einmal deutlich differenzierter und umfassten auch die lautliche Dimension, das heißt wie ein bestimmtes Zeichen ausgesprochen wird.

Göbekli Tepe zeigt nach den Untersuchungen des Ägyptologen eindrücklich, wie komplex und spezialisiert bereits die steinzeitliche Gesellschaft vor rund 12.000 Jahren war. „Der Gebrauch von Sprache, Hand und Hirn gingen mit einander einher“, sagt Prof. Morenz. In dem Maß, wie sich die Menschen damals mit großem handwerklichen und intellektuellem Geschick eine abstrakte Bildsprache schufen, drangen sie jenseits der Herausforderungen des Alltags in religiöse Sphären vor und stellten sich bereits den Grundfragen der Menschheit nach dem Jenseits. „Es handelt sich um den Beginn der medialen Entwicklung und um den Aufbruch in neue Denkräume“, sagt Prof. Morenz.

Weitere Infos gibt es hier.

Quelle:
Johannes Seiler
Dezernat 8 – Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

 

Ötzi hatte schlechte Zähne

Erstmals haben Forscher vom Zentrum für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich gemeinsam mit ausländischen Kollegen an der Mumie Ötzi Paradontitis, Karies und unfallbedingte Zahnverletzungen nachweisen können. Die neuesten wissenschaftlichen Resultate geben interessante Hinweise auf das Ernährungsverhalten des neolithischen Mannes aus dem Eis und zur Evolution von medizinisch bedeutenden Zahnkrankheiten.

Die neolithische Mumie Ötzi (ca. 3300 v. Chr) zeigt erstaunlicherweise zahlreiche, auch heutzutage noch weitverbreitete Erkrankungen an den Zähnen und dem Zahnhalteapparat. Wie Prof. Frank Rühli, Leiter der Studie, erklärt, litt Ötzi an einer starken Zahnabschleifung, an mehreren Stellen an teilweiser ausgeprägter Karies und hatte einen vermutlich unfallbedingten abgestorbenen Frontzahn.

Obwohl seit über 20 Jahren an dieser bedeutenden Mumie geforscht wird, waren die Zähne kaum beachtet worden. Der Zahnarzt Roger Seiler vom Zentrum für Evolutionäre Medizin der UZH hat nun Ötzis Zähne basierend auf den aktuellsten computertomografischen Daten untersucht und stellt fest: «Der Schwund des Zahnhalteapparates war schon immer eine sehr häufige Erkrankung wie Schädelfunde aus der Steinzeit oder die Untersuchung ägyptischer Mumien zeigen. Ötzi erlaubt uns einen speziell guten Einblick in eine solch frühe Form dieser Erkrankung», erklärt Seiler. Er ist spezialisiert auf die Untersuchung von Zahnerkrankungen in früheren Zeiten.

Fortgeschrittene Parodontitis

Die computertomografischen dreidimensionalen Rekonstruktionen geben einen Einblick in die Mundhöhle des Eismannes und zeigen, wie sehr er unter einer fortgeschrittenen Parodontitis litt. Vor allem im Bereich der hinteren Backenzähne fand Seiler einen Verlust des parodontalen Stützgewebes, der beinahe die Wurzelspitze erreichte. Zwar hatte Ötzi wohl kaum seine Zähne geputzt, die abschleifende Nahrung hatte jedoch viel zur Selbstreinigung beigetragen. Heute wird Paradontitis mit den Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems in Zusammenhang gebracht. Interessanterweise zeigt der Eismann auch Arterienverkalkungen, wofür wie im Falle der Parodontitis in erster Linie seine genetische Veranlagung verantwortlich war.

Dass der Eismann unter Karies litt, ist auf die vermehrt stärkehaltige Nahrung wie Brot und Getreidebrei zurückzuführen, die durch den aufkommenden Ackerbau in der Jungsteinzeit vermehrt konsumiert werden konnte. Dazu war die Nahrung durch Verunreinigungen und den Abrieb der Mahlsteine stark abschleifend, wie die abgeschliffenen Zähne des Eismannes zeigen. Seine unfallbedingten Zahnschäden zeugen wie seine anderen Verletzungen vom rauen Leben in jener Zeit. Ein Frontzahn ist durch einen Schlag abgestorben – die Verfärbung ist noch deutlich sichtbar und ein Backenzahn hat wohl durch einen Kauunfall, vielleicht ein Steinchen in Getreidebrei, einen Höcker verloren.

Quelle:
Nathalie Huber
Kommunikation
Universität Zürich

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