3400 Jahre alte Stadt aus dem Tigris aufgetaucht

Ein Team aus deutschen und kurdischen Archäologen hat am Tigris eine 3400 Jahre alte Stadt aus der Zeit des Mittani-Reichs freigelegt, die aus dem Wasser des Mosul-Stausees aufgetaucht war. Ermöglicht wurde dies, weil der Wasserspiegel des Sees aufgrund extremer Trockenheit im Irak rapide abgesunken war. Bei der ausgedehnten Stadtanlage mit Palast und mehreren Großbauten könnte es sich um das alte Zachiku handeln. Dieses dürfte ein wichtiges Zentrum im Großreich von Mittani gewesen sein (ca. 1550–1350 v. Chr.).

Bronzezeitliche Stadt trat aufgrund von Dürre wieder an die Oberfläche

Der Irak ist eines der weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Besonders der Süden des Landes leidet seit Monaten unter extremer Trockenheit. Um die Ernte nicht vertrocknen zu lassen, wurden seit Dezember große Mengen von Wasser aus dem Mosul-Stausee – dem wichtigsten Wasserreservoir des Irak – zu Bewässerungszwecken abgelassen. Dadurch trat am Rand des Sees, am Ort Kemune in der Region Kurdistan des Irak, eine bronzezeitliche Stadt wieder an die Oberfläche, die vor Jahrzehnten untergegangen war, bevor sie archäologisch untersucht werden konnte.

Durch dieses unvorhergesehene Ereignis geriet die Archäologie unter Zugzwang: Es galt zumindest Teile dieser großen, wichtigen Stadtanlage schnellstmöglich freizulegen und zu dokumentieren, bevor sie wieder im Wasser versank. Deshalb haben der kurdische Archäologe Dr. Hasan A. Qasim, Direktor der Kurdistan Archaeology Organization (KAO) und die deutschen Archäolog*innen Jun.-Prof. Dr. Ivana Puljiz von der Universität Freiburg und Prof. Dr. Peter Pfälzner von der Universität Tübingen spontan beschlossen, eine gemeinsame Rettungsgrabung in Kemune zu unternehmen. Diese fand im Januar und Februar 2022 in Zusammenarbeit mit der Antikendirektion Dohuk, Region Kurdistan-Irak statt.

Fritz-Thyssen-Stiftung unterstütze Ausgrabungen

Binnen weniger Tage wurde ein Team für die Rettungsgrabung zusammengestellt. Über die Universität Freiburg konnten kurzfristig Mittel der Fritz-Thyssen-Stiftung zur Finanzierung der Arbeiten eingeworben werden. Das deutsch-kurdische Team stand bei den Ausgrabungen unter immensem Zeitdruck, weil nicht klar war, wann das Wasser im See wieder ansteigen würde.

Massive Befestigungsanlage, mehrstöckiges Magazingebäude, industrieller Komplex
Den Forscher*innen gelang es binnen kurzer Zeit, den Plan der Stadt weitgehend zu rekonstruieren. Neben einem Palast, der bereits 2018 im Verlauf einer Kurzkampagne erfasst worden war, wurden mehrere weitere Großbauten freigelegt: eine massive Befestigungsanlage mit Mauer und Türmen, ein monumentales, mehrstöckiges Magazingebäude sowie ein industrieller Komplex. Die ausgedehnte Stadtanlage datiert in die Zeit des Großreiches von Mittani (ca. 1550–1350 v. Chr.), das weite Teile Nordmesopotamiens und Syriens kontrollierte.

„Das riesige Magazingebäude ist von besonderer Bedeutung, weil darin enorme Mengen an Gütern gelagert worden sein müssen, die wahrscheinlich aus der gesamten Region herbeigeschafft wurden,“ erläutert Puljiz. Qasim schlussfolgert: „Die Ausgrabungsergebnisse zeigen, dass der Ort ein wichtiges Zentrum im Mittani-Reich war“.

Besonders erstaunlich sei, dass die Mauern dieser Gebäude sehr gut, manchmal mehrere Meter hoch erhalten seien, und dies obwohl es sich um Bauten aus ungebrannten Lehmziegeln handele, die über 40 Jahre lang unter Wasser lagen, so das Forschungsteam. Dies habe seinen Grund darin, dass die Stadt gegen 1350 v. Chr. bei einem Erdbeben zerstört wurde und die einstürzenden oberen Teile der Mauern die Gebäude unter sich begruben.

Keramikgefäße mit über 100 Keilschriften

Eine besondere wichtige Entdeckung sind fünf Keramikgefäße, in denen ein Archiv aus über 100 Keilschrifttafeln untergebracht war. Sie datieren in die mittelassyrische Zeit, kurz nach der Erdbebenkatastrophe, die die Stadt heimgesucht hatte. Einige Tontafeln, bei denen es sich vielleicht um Briefe handelt, stecken sogar noch in ihren Umschlägen aus Ton. Von dieser Entdeckung erhoffen sich die Forscher*innen wichtige Aufschlüsse über das Ende der Mittani-zeitlichen Stadt und den Beginn der assyrischen Herrschaft in dieser Region. „Dass die Keilschrifttafeln aus ungebranntem Ton so viele Jahrzehnte unter Wasser überdauert haben, grenzt an ein Wunder“, sagt Pfälzner.

Konservierungsmaßnahme, um Schäden durch Stausee zu verhindern

Um weitere Schäden an der bedeutenden Ruinenstätte durch den Stausee abzuwenden, wurden die ausgegrabenen Gebäude im Rahmen einer von der Gerda Henkel-Stiftung finanzierten umfangreichen Konservierungsmaßnahme vollständig mit enganliegender Plastikfolie umkleidet und mit Kiesschüttungen bedeckt. Dadurch sollen die Mauern aus ungebranntem Lehm und eventuelle weitere in den Ruinen noch verborgene Funde vor dem Wasser geschützt werden. Inzwischen ist der Fundort wieder vollständig überflutet.

Quelle:

Bastian Strauch, Hochschul- und Wissenschaftskommunikation

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Frühester von Menschen dekorierter Schmuck Eurasiens

In einer neuen multidisziplinären Studie berichtet ein internationales Forschungsteam über die Entdeckung eines Elfenbeinanhängers, der mit einem Muster von wenigstens 50 Punkten verziert ist, die eine unregelmäßige Schleife bilden. Die direkte Radiokarbondatierung dieses Schmuckstücks ergab ein Alter von etwa 41.500 Jahren. Somit ist der Anhänger aus der Stajnia-Höhle in Polen das älteste bisher bekannte mit Punkten dekorierte Ornament Eurasiens – und etwa 2.000 Jahre älter als andere vergleichbare Schmuckstücke.

Nach ihrer Ausbreitung in Mittel- und Westeuropa vor etwa 42.000 Jahren begannen Homo sapiens-Gruppen, Mammutstoßzähne für die Herstellung von Anhängern und Gegenständen wie geschnitzten Statuetten zu bearbeiten, die gelegentlich mit geometrischen Motiven verziert waren. Neben Linien, Kreuzen und Rauten tauchte bei einigen Ornamenten in Südwestfrankreich und Figuren aus der Schwäbischen Alb eine neue Verzierungsart auf – die Aneinanderreihung von Punkten. Die meisten dieser dekorierten Gegenstände wurden bei früheren Ausgrabungsarbeiten entdeckt, und ihre chronologische Zuordnung ist nach wie vor nicht gesichert. Daher blieben Fragen offen hinsichtlich der Entstehung von Körperschmuck und der Verbreitung mobiler Kunst in Europa.

Eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Universität Bologna in Italien, der Universität Wrocław in Polen, des Polnischen Geologischen Instituts – Nationales Forschungsinstitut, Warschau, Polen, und des Instituts für Systematik und Evolution der Tiere der Polnischen Akademie der Wissenschaften stellt nun den ältesten bekannten Elfenbeinanhänger Eurasiens vor, der mit einem Punktmuster verziert ist. Mit einem Alter von 41.500 Jahren ist dieser Schmuckgegenstand aus der Stajnia-Höhle einer der frühesten Ausbreitungswellen des Homo sapiens in Europa zugeordnet.



Der Stajnia-Anhänger ist mit einem Muster aus mindestens 50 Punkten verziert, die eine unregelmäßige Schleife bilden (Antonino Vazzana – BONES Lab).


„Die Bestimmung des genauen Alters dieses Schmuckstücks war für seine kulturelle Zuordnung von grundlegender Bedeutung, und wir sind von dem Ergebnis begeistert. Diese Arbeit zeigt, dass wir mit den jüngsten methodologischen Fortschritten bei der Radiokarbondatierung nicht nur den Umfang der Probennahme minimieren sondern auch hochpräzise Daten mit einem sehr geringen Fehlerbereich erzielen können. Wenn wir für die Debatte darüber, wann mobile Kunst in steinzeitlichen Homo sapiens-Gruppen erstmals aufkam, eine Lösung finden wollen, müssen wir diese Ornamente mit Hilfe der Radiokohlenstoffmethode datieren – insbesondere jene, die bei früheren Ausgrabungsarbeiten oder in komplexen stratigraphischen Sequenzen gefunden wurden“, sagt Sahra Talamo, Erstautorin der Studie und Leiterin des BRAVHO-Radiokohlenstofflabors an der Abteilung für Chemie „G. Ciamician“ der Universität Bologna.

Die Untersuchung des Anhängers und einer Ahle wurde zusätzlich noch mit digitalen Methoden durchgeführt, ausgehend von mikrotomographischen Scans der Funde. „Mithilfe von 3D-Modellierungstechniken haben wir die Funde virtuell rekonstruiert und den Anhänger entsprechend restauriert, was uns detaillierte Messungen ermöglichte und die Beschreibung der Verzierungen vereinfachte“, erklärt Co-Autor Stefano Benazzi, Leiter des Labors für Osteoarchäologie und Paläoanthropologie (BONES Lab) der Abteilung für Kulturerbe der Universität Bologna.

Der Schmuckgegenstand wurde 2010 bei archäologischen Ausgrabungsarbeiten unter der Leitung von Co-Autor Mikołaj Urbanowski zwischen Tierknochen und einigen Steinwerkzeugen aus dem Jungpaläolithikum entdeckt. Archäologische Fundstücke aus der Höhle lassen vermuten, dass die Höhle Neandertalern und Homo sapiens-Gruppen für mehrere kurze Zeitperioden als Aufenthaltsort diente. Der Anhänger ging möglicherweise zu Bruch, als die Gruppe in der Kraków-Częstochowa-Hochebene auf der Jagd war, und wurde anschließend entsorgt.


Luftaufnahme der Stajnia-Höhle in Polen (© Marcin Żarski).


„Dieses Schmuckstück zeugt von der großen Kreativität und den außergewöhnlichen handwerklichen Fähigkeiten der Mitglieder einer Homo sapiens-Gruppe, die den Fundort bewohnte. Die Dicke der Platte beträgt etwa 3,7 Millimeter – beim Schnitzen der Punkte und der Tragelöcher des Anhängers wurde mit einer erstaunlichen Präzision vorgegangen“, sagt Co-Autorin Wioletta Nowaczewska von der Universität Wrocław. „Ob die Schleife des Stajnia-Anhängers auf ein Mondanalemma verweist oder es sich dabei um eine Zählung von bei der Jagd erlegten Tieren handelt, bleibt ungelöst. Es ist jedoch faszinierend, dass ähnliche Verzierungen unabhängig voneinander in ganz Europa auftraten“, ergänzt Co-Autor Adam Nadachowski vom Institut für Systematik und Evolution der Tiere der Polnischen Akademie der Wissenschaften.

In groß angelegten Szenarien über die früheste Ausbreitung des Homo sapiens in Europa wurde das Gebiet des heutigen Polens bisher oft ausgeklammert, was darauf hindeutete, dass es nach dem Aussterben der Neandertaler mehrere Jahrtausende lang unbesiedelt blieb. „Das Alter des Elfenbeinanhängers und der Knochenahle, die in der Stajnia-Höhle gefunden wurden, belegt nun hingegen, dass die Ausbreitung des Homo sapiens im heutigen Polen zu einem genauso frühen Zeitpunkt stattgefunden hat wie in Mittel- und Westeuropa. Dieses bemerkenswerte Ergebnis verändert unseren Blick auf die Anpassungsfähigkeit dieser frühen Gruppen und stellt das monozentrische Verbreitungsmodell künstlerischer Innovation während der Aurignacien-Kultur in Frage“, sagt Co-Autor Andrea Picin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Weitere detaillierte Analysen der Elfenbeinfunde aus der Stajnia-Höhle und anderen Fundorten in Polen sind derzeit im Gange und versprechen weitere spannende Erkenntnisse zur Herstellung von Schmuckgegenständen in Mittelosteuropa.

Quelle:
Sandra Jacob Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Erstmalig 14.000 Jahre alter Siedlungsplatz an der Westküste der Türkei entdeckt

Bei einer Rettungsgrabung des Deutschen Archäologischen Instituts in der Provinz Izmir wurden zwischen den modernen Orten Dikili und Bergama (UNESCO-Welterbestätte Pergamon-Bergama) in einer Höhle erstmalig Schichten aus der Nach-Altsteinzeit (Epipaläolithikum) entdeckt. Sie werden von einem antiken Heiligtum der anatolischen Muttergottheit Meter-Kybele überlagert. Als bedeutendes Naturmal wurde der Ort auch in den folgenden byzantinischen und islamischen Epochen aufgesucht, bevor er in Vergessenheit geriet.

Das Territorium der heutigen Türkei war in der Geschichte immer wieder Ort bedeutender Entwicklungen und Ereignisse an der Schnittstelle zwischen Ost und West. Zuletzt haben die Funde vom Göbekli Tepe im oberen Zweistromland besondere Aufmerksamkeit erregt. Dort entstanden im 10. Jahrtausend v. Chr. erste Monumentalarchitekturen und Bildwerke. Im Vergleich zur Epoche der Jungsteinzeit (Neolithikum), in dessen Frühphase der Göbekli Tepe gehört, sind die älteren Phasen der Menschheitsgeschichte (Paläolithikum bzw. Altsteinzeit) weniger gut bekannt. So konnten bislang nur in der Süd- und Südosttürkei einige wenige Fundplätze dieser Zeitstellung ausgegraben werden. Im Westen Anatoliens, d. h. in der Kontaktzone der Ägäis und am Übergang nach Europa, klaffte hingegen eine Lücke im sicheren Nachweis des Paläolithikums und seiner Übergangsphasen zur Jungsteinzeit.

Ausgrabungen im Inneren der Höhle (Deutsches Archäologisches Institut/Eşref Erbil)


Umso überraschender war es, als im Herbst 2020 im Rahmen eines archäologischen Surveys der DAI-Pergamongrabung in einer Höhle zwischen den modernen Orten Dikili und Bergama (Pergamon) Schichten aus der Nach-Altsteinzeit (Epipaläolithikum) entdeckt wurden, die etwa 14.000 Jahre alt sind. Erste Horizonte mit Steinwerkzeugen und Knochen konnten dokumentiert werden, deren Alter sich mithilfe der Radiokarbon-Methode sowie der Untersuchung der Steingeräte präzise bestimmen ließ.
Um diesen bedeutenden Fundort genauer zu erforschen und die archäologischen Daten zu sichern, wurde mit Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Türkei und unter Leitung des Museums Bergama im Herbst 2021 eine sechswöchige Rettungsgrabung durchgeführt, an denen neben der DAI-Pergamongrabung auch Spezialist*innen der Universität Ankara beteiligt waren. Das türkisch-deutsche Team konnte in und vor der Höhle zunächst jüngere Schichten freilegen, die von der Nutzung des spektakulär gelegenen Platzes als Heiligtum der anatolischen Muttergottheit Meter-Kybele vom ca. 6. Jh. v. Chr. bis in die römische Kaiserzeit hinein zeugen. Das jüngste Fundmaterial umfasst die byzantinische und islamische Zeit. Berücksichtigt man die Abgeschiedenheit des nur mit Mühe zu Fuß erreichbaren Ortes, so sprechen diese Funde für eine bemerkenswerte Kontinuität in der Verbundenheit der Menschen mit diesem außergewöhnlichen Naturmal über die Grenzen von Epochen und Religionen hinweg.

rabungen am Eingang der Höhle (Deutsches Archäologisches Institut/Eşref Erbil)

Unter den Resten des Heiligtums folgten zunächst Schichten offenbar aus der Bronzezeit (ca. 3.-2. Jt. v. Chr.), deren präzise Datierung und Deutung aber noch ausstehen. Im Epipaläolithikum diente die kleine Höhle als saisonale Wohn- und Produktionsstätte für eine Gruppe von Jägern und Sammlern, wovon neben zahlreichen Tierknochen auch Rohmaterialien für die Werkzeugherstellung und halbfertige Stücke zeugen. Als Rohstoffe dienten offenbar Feuersteine aus dem Bett des Flusses, der direkt vor der Höhle verläuft. Die weitere Auswertung der Rettungsgrabung wird sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, warum die Menschen gerade diesen Platz als Camp auswählten und ob es Indizien für Beziehungen nach Inneranatolien, in die Ägäis und das festländische Griechenland hinein gibt. In späterer Zeit spielten solche Beziehungen eine wichtige Rolle, wie unter anderem Scherben rotfiguriger Keramik aus Athen zeigen. Lage und Fundmaterial sprechen überdies für Beziehungen zur Insel Lesbos, zu deren festländischem Besitz (Peraia) das Gebiet in vorhellenistischer Zeit gehörte.
Die Arbeiten finden im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes „Die Transformation der Mikroregion Pergamon zwischen Hellenismus und Römischer Kaiserzeit“ statt. An der Rettungsgrabung und ihrer ersten Auswertung waren neben den bereits erwähnten Partnern Kolleg*innen der Celal Bayar Üniversitesi Manisa, der Sinop Üniversitesi, der Freien Universität Berlin sowie des TÜBITAK Marmara Forschungszentrums beteiligt.

Quelle:

Nicole Kehrer Pressestelle
Deutsches Archäologisches Institut

Weiteres Heiligtum auf Tempelberg von Yeha im äthiopischen Hochland entdeckt

Bei jüngsten Ausgrabungen im heutigen Kirchengelände des Fundplatzes Yeha wurden die Reste eines weiteren 2700 Jahre alten Heiligtums freigelegt.

Der Große Tempel von Yeha im modernen Klosterareal
Das moderne Klosterareal mit dem antiken Großen Tempel (re.), Foto: Deutsches Archäologisches Institut

Der Fundort Yeha liegt im nördlichen Hochland Äthiopiens in der Provinz Tigray und bildete in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. das politische und religiöse Zentrum einer der bedeutendsten komplexen Gesellschaften südlich der Sahelzone. Die Entstehung dieser Kultur hängt unmittelbar mit der Migration sabäischer Bevölkerungsgruppen aus dem heutigen Jemen zum nördlichen Horn von Afrika zusammen. Ein äthiopisch-deutsches Kooperationsprojekt untersucht die kulturellen Kontakte zwischen den eingewanderten Sabäern und der ansässigen Bevölkerung. Im Vordergrund steht die Erforschung des Prozesses der Interaktion dieser beiden Kulturen. So fallen neben indigenen Merkmalen insbesondere die südarabischen Einflüsse auf, die sich in der Kunst, der Repräsentationsarchitektur aber auch in Schrift, Sprache, Religion und der gesellschaftlicher Organisation widerspiegeln.

Die monumentalen öffentlichen Bauwerke konzentrieren sich in der unbefestigten Siedlung Yeha auf das heutige Kirchengelände und seine unmittelbare Umgebung. Neben dem „Großen Tempel“, einem in den letzten Jahren erforschten und restaurierten Heiligtum des höchsten sabäischen Gottes Almaqah, zählen zu diesen Monumentalbauten weiterhin ein etwa 60 m x 60 m großer mehrgeschossiger Palast sowie mehrere bisher nur in Ansätzen untersuchte Repräsentationsbauten. Mit den jüngsten Ausgrabungen kann nun ein weiterer Tempel mit 1,40 m starken Außenmauern sowie einer Pfeilerhalle im Inneren des Gebäudes rekonstruiert werden, auch wenn bislang nur wenige Reste freigelegt wurden.
Typisch für eine südarabische Bauweise sind die gestufte Anordnung der Quaderlagen der Außenmauer sowie der mörtel- und dübellose Versatz der Steine. Identisch mit der südarabischen Steinmetztechnik ist zudem die Gestaltung der Quadersichtflächen mit geglättetem Rand und aufgerauter Mittelfläche. Anhand dieser Details lässt sich das Gebäude in das 7. Jahrhundert v. Chr. datierten und entstand damit etwa zeitgleich mit dem Großen Tempel. Pfeilerhallen, die die mehrschiffigen Innenräume der Tempel gliedern, sind für südarabische Sakralbauten im heutigen Jemen bekannt. Mit den sabäischen Einwanderern fand dieser Bautyp Eingang in die architektonische Gestaltung der Heiligtümer von Yeha.

Blick in die Grabung im November 2019
Blick in die Grabung im November 2019, Foto: Irmgard Wagner, Deutsches Archäologisches Institut

Mit dem neuen Sakralbau wird die herausragende religiöse Bedeutung unterstrichen, die der Fundplatz Yeha in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. in dieser Region besaß. Die Arbeiten in Yeha werden von der Orient-Abteilung des DAI gemeinsam mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Langfristvorhaben gefördert.

Weitere Infos zu dem Tempelberg von Yeha gibt es hier.

Quelle:

Deutsches Archäologisches Institut
Pressestelle
Berlin

Keilschriften entdeckt

93 Texttafeln in assyrischer Sprache aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. warten auf Entzifferung.

In der Region Kurdistan im Norden des Irak haben Archäologen des Instituts für die Kulturen des Alten Orients der Universität Tübingen unter der Leitung von Professor Peter Pfälzner bei ihren Ausgrabungen in der alten Stadt Bassetki überraschende Entdeckungen gemacht: Sie stießen unter anderem auf ein Keilschriftarchiv mit 93 Tontafeln, das sie in die Zeit um 1250 v. Chr. datieren, die Periode des mittelassyrischen Reiches. Was auf den Texttafeln festgehalten ist, bleibt vorerst ein Geheimnis. Sie müssen entziffert werden, was nach Einschätzung der Forscher aufwendig und langwierig werden könnte.

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Bassetki (Irak-Kurdistan) 2017: Blick in das Keramikgefäß mit den assyrischen Keilschrifttafeln.
Foto: Peter Pfälzner, Universität Tübingen

Die bronzezeitliche Stadtanlage von Bassetki wurde erst 2013 bei Geländeforschungen im Rahmen des Tübinger Sonderforschungsbereiches „RessourcenKulturen“ (SFB 1070) entdeckt. Die Tübinger Archäologen konnten ihre Arbeiten in diesem Jahr auch im September und Oktober ungestört fortsetzen, trotz der Turbulenzen um das kurdische Unabhängigkeitsreferendum und der heftigen Reaktionen der umliegenden Regierungen. In den vergangenen Monaten legten die Forscher Siedlungsschichten aus der Frühen, Mittleren und Späten Bronzezeit sowie der nachfolgenden Assyrischen Periode frei. „Die Funde belegen, dass dieses frühe städtische Zentrum in Nordmesopotamien jahrhundertelang, von ca. 3000 bis 600 v. Chr., nahezu ununterbrochen besiedelt war. Dies weist auf eine herausgehobene Bedeutung Bassetkis an wichtigen alten Handelsrouten hin“, sagt Peter Pfälzner.

Schicht aus der Zeit des wenig erforschten Mittani-Reiches

Erstmals kam an diesem Ort nun auch eine Schicht aus der Zeit des noch wenig erforschten Mittani-Reichs (ca. 1550 – 1300 v. Chr.) zu Tage. Zwei in dieser Schicht gefundene mittanische Keilschrifttafeln berichten von intensiven Handelsaktivitäten der Bewohner der Stadt um die Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr., die wohl durch ihre Lage an den Handelswegen von Mesopotamien nach Anatolien und Syrien florierte.

In der darauffolgenden Periode des mittelassyrischen Reiches erlebte die Stadt eine neue Blüte. Die Forscher aus Tübingen, die in Kooperation mit Dr. Hasan Qasim von der Antikendirektion der Region Dohuk arbeiten, entdeckten ein Keilschriftarchiv mit 93 Tontafeln aus dieser Zeit, das um 1250 v. Chr. zu datieren ist. Alleine 60 dieser beschriebenen Tontafeln waren in einem Keramikgefäß nie-dergelegt, welches wohl zur Archivierung der Texte diente. Das Gefäß fanden die Ausgräber in einem zerstörten Raum eines mittelassyrischen Gebäudes; dort war es zusammen mit zwei weiteren Gefäßen mit einem dicken Lehmmantel umhüllt worden. „Das Gefäß wurde möglicherweise auf diese Weise versteckt, unmittelbar nachdem das umgebende Gebäude zerstört worden war. Vielleicht sollten die enthaltenen Informationen geschützt und für die Nachwelt aufbewahrt werden“, erläutert Peter Pfälzner. Es ist allerdings noch nicht klar, ob es sich um wirtschaftliche Aufzeichnungen, juristische oder religiöse handelte. „Ein kleines Fragment einer Tontafel hat unsere Philologin Dr. Betina Faist bereits entziffert. Dort wird ein Tempel der Göttin Gula erwähnt, sodass möglicherweise ein religiöser Kontext in Betracht zu ziehen ist“, sagt der Wissenschaftler.

Die Entzifferung: Eine große Herausforderung

Vor Ort haben die Wissenschaftler die Tontafeln mit modernen computergestützten Fotografie-Methoden aufgenommen, aus denen Texturbilder mit veränderbarer Lichtquelle entstehen. Die aufwendige Arbeit des Lesens und Übersetzens der 93 Keilschrifttafeln in assyrischer Sprache beginnt allerdings erst jetzt in Deutschland, nach Rückkehr des Teams aus dem Irak. Da viele der Tontafeln ungebrannt und stark abgerieben sind, stellt die Entzifferung eine große Herausforderung dar und wird lange Zeit in Anspruch nehmen. Peter Pfälzner hofft, dass sich aus den Texten zahlreiche neue Kenntnisse über die Geschichte, Gesellschaft und Kultur dieser bisher kaum erforschten Region Nordmesopotamiens im zweiten Jahrtausend v. Chr. ablesen lassen werden.

Mehr Infos zu der Entdeckung der Keilschriften gib es hier.

Quelle:
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

Kairo: weitere Fragmente der Psammetich-Statue

Nach dem Sensationsfund von Teilen der Kolossalstatue des berühmten Pharaos Psammetich I. (664 v. Chr. bis 610 v. Chr.) im März dieses Jahres in Kairo sind jetzt bei neuen Grabungen weitere archäologische bedeutende Funde freigelegt worden.

Ein ägyptisches-deutsches Team unter der Leitung von Dr. Dietrich Raue, Kustos des Ägyptischen Museums – Georg Steindorff – der Universität Leipzig und Dr. Aiman Ashmawy vom Ägyptisches Antikenministerium und in Zusammenarbeit mit Prof. Kai-Christian Bruhn von der Hochschule Mainz stieß in der letzten Phase seiner Grabungen Ende September auf dem Gelände des Tempels von Heliopolis auf weitere Fragmente der Psammetich-Statue. Entdeckt wurden unter anderem drei riesige, etwa zehn Zentimeter breite Zehen des Pharaos sowie ein wichtiger Teil des Rückenpfeilers mit dem Namen Psammetichs I. Für eine große Überraschung sorgte allerdings der Fund von Fragmenten einer Kolossalstatue von Ramses II. (1250 v. Chr.).

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Teil der Heilerstatue aus dem 4.Jh.v. Chr. 
Foto: Dr. Dietrich Raue/Universität Leipzig

Im März dieses Jahres war zunächst vermutet worden, dass es sich bei der tonnenschweren Statue um Ramses II. handelt, da diese auf dem Areal des früheren Tempels von Ramses II. entdeckt wurde. Schnell stellten die Experten damals jedoch klar, dass in einer Schlammgrube in zwei Metern Tiefe der Kopf mit Krone und der Torso von Psammetich I. gefunden wurden. „Die neuen Teile der Statue von Ramses II. sind aus Rosengranit und stammen aus der Zeit um 1250 vor Christus, sind also rund 600 Jahre älter als die Psammetich-Statue“, erklärt Raue, der von Ende August bis Anfang Oktober in Kairo war. Die jetzt neu entdeckten Teile befinden sich bereits nahe der Pyramiden von Gizeh, wo sie ab kommendem Jahr im Grand Egyptian Museum zu sehen sein werden.

Insgesamt stellte das Grabungsteam 1.920 Quarzit-Fragmente des Unterteils der Psammetich-Statue sicher, die zwischen 10 und 150 Zentimeter groß sind und nun zusammengesetzt werden müssen. Dazwischen fanden sie Teile der Ramses-Figur, unter anderem eine Basis, einen Unterschenkel und einen Oberarm des Pharaos. „Die Statue war ersten Schätzungen zufolge etwa sechs Meter hoch und wahrscheinlich sitzend“, sagt Raue. Mit Sicherheit könne er nun auch sagen, dass die riesige Quarzit-Figur Psammetichs gestanden habe und ohne Basis etwa neun Meter hoch war.

Zuvor hatten die Experten außerdem Reste eines riesigen Sphinx gefunden, unter anderem eine 32 Zentimeter breite Kralle. Ebenso wurden Reste eines etwa fünf bis sechs Meter hohen Falken entdeckt. Allein sein Auge ist 30 Zentimeter breit. Als „zusätzliche Überraschung“ bezeichnete Raue die Basalt-Fragmente einer sogenannten Heiler-Statue – eines Priesters aus dem 4. Jahrhundert vor Christus. Dies sei der jüngste Fund gewesen. „Das meiste haben wir bei unserem letzten Grabungsversuch am 28. September auf einem Areal von vier mal drei Metern gefunden“, berichtet der Ägyptologe. Der Mix aus verschiedenen Zeitaltern und Materialien auf kleinstem Raum sei entstanden, weil in der Vergangenheit immer wieder Steinräuber am Werk waren, die härtere Gesteinsteile der Statuen nicht für ihre Bauvorhaben verwenden konnten und daher auf dem Areal von Heliopolis zurückließen.

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Teile der gefundenen Zehen von Psammetich I.
Foto: Dr. Dietrich Raue/Universität Leipzig

Raue, der gemeinsam mit zwei Ägyptologie-Studenten der Universität Leipzig nach Kairo gereist war und vor Ort mit dem Ägyptologen Ashmawy eng zusammenarbeitete, wird die Grabungen im Februar 2018 fortsetzen und erwartet weitere interessante Funde. „Jetzt ist es eine Frage der Zeit. Wir müssen puzzeln“, sagt er. Die Vielfalt und die Ausmaße der ausgegrabenen Fragmente geben neue Möglichkeiten, die ursprüngliche Gestalt des Tempels zu rekonstruieren. Zugleich gab die Untersuchung der Statuenbasen vollkommen neue Einblicke zum Fortschritt der verwendeten Werkzeuge und Techniken.

Weitere Infos zu den Funden in Kairo gibt es hier.

Quelle:

Susann Huster
Stabsstelle Universitätskommunikation/Medienredaktion
Universität Leipzig

Zufällig über einen Etrusker gefahren

Was hat ein Etruskergrab mit einer Gemeinde am Fuße des Schwarzwalds zu tun? Das Grab wurde in Città della Pieve entdeckt. Und  Città della Pieve wiederum ist die italienische Partnerstadt des baden-württembergischen Denzlingens. Wie viel Glück und Zufall bei dieser Entdeckung mitspielte, wird in einem Artikel in der Badischen Zeitung erzählt. Schön zu lesen und zu sehen, wie Archäologie immer wieder grenzenlos begeistern kann!

Auf den Spuren der Varusschlacht

Im Museumspark Kalkriese wird in diesem Jahr wieder gegraben. Seit gut vier Wochen begeben sich das Archäologienteam aus Kalkriese und die Wissenschaftler der Universität Osnabrück auf Spurensuche. Das ausgewählte Areal in einer Schneise im Museumspark ist bei den bisherigen Untersuchungen noch kaum berücksichtigt worden.

Das Schlachtfeld auf dem Oberesch in Kalkriese gehört zu den bedeutendsten römischen Fundplätzen in Deutschland. Durch die intensive archäologische Forschung ist es in den letzten Jahren gelungen, ein sehr differenziertes Bild von den Ereignissen im unmittelbaren Vorfeld einer als germanischer Hinterhalt gedeuteten Wallanlage zu erhalten. Bei den Untersuchungen größerer Bereiche im weiteren Umfeld des zentralen Schlachtfelds hat sich gezeigt, dass das von den Kampfhandlungen betroffene Gebiet wesentlich ausgedehnter war, als bislang vermutet. Deutlich lassen sich nun auch Kampfhandlungen in den germanischen Siedlungen der Umgebung und Absetzbewegungen römischer Truppen nach Norden, in das Große Moor hinein, fassen.

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Mit einer weiteren Grabung erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse zum Schlachtverlauf (Foto: Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH)

 

Die Archäologen der Universität Osnabrück und des Museums und Parks Kalkriese versuchen nun – tatkräftig unterstützt von erfahrenen ehrenamtlichen Grabungshelfern – die ersten Fragen zu beantworten. Mit Hilfe eines langen „Suchschnitts“ mit einer ca. 4 Meter breiten und 150 Meter langen Fläche wollen sie klären, ob es auf dem Oberesch weitere Erdwerke eines germanischen Hinterhalts oder sogar römische Verschanzungen gibt. Außerdem hoffen sie auf aussagekräftige Funde, die weitere Hinweise auf die an der Schlacht beteiligten Truppen geben. „Die Ergebnisse werden das Bild, das wir vom Verlauf der Schlacht haben, in wichtigen Aspekten erweitern und ergänzen“, erklärt Dr. Salvatore Ortisi, wissenschaftlicher Leiter des Projekts Kalkriese. Schon jetzt konnte das Grabungsteam interessante Funde vermelden, u.a. einen Bronzering von einem Schwertgehänge, Teile von Silberblechen, ein Pilum und unterschiedliche Nägel.

Bei ihren aktuellen Untersuchungen erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse zum Schlachtverlauf, mit denen sich das Kampfgeschehen noch besser nachvollziehen lässt. Die Grabungskampagne wird im Rahmen der Grundförderung durch den Kooperationsvertrag mit dem Land Niedersachsen und dem Grabungsvertrag mit dem Landkreis Osnabrück ermöglicht. Projektbezogen haben die Varus-Gesellschaft, MBN Bau AG und die Firma Grotemeier die Grabungen unterstützt.

Weitere Infos zu den Grabungen in Kalkriese gibt es hier.

Quelle:
Dr. Utz Lederbogen
Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Osnabrück

Sag mir, was Du isst…

Die Besiedlung Madagaskars: Reis und Mungobohnen als archäologische Quellen.

Obwohl tausende Kilometer von Südostasien entfernt, wird auf Madagaskar eine Sprache gesprochen, die eng verwandt ist mit den Sprachen des pazifischen Raums und Südostasiens. Auch genetische Studien belegen eine Verwandtschaft der Madagassen etwa mit Malaysiern und Polynesiern. Die Archäologie suchte bislang jedoch vergeblich nach Belegen für die Besiedlung der Insel von Südostasien. Einem internationalen Forschungsteam unter leitender Beteiligung der Max-Planck-Direktorin Nicole Boivin ist es nun gelungen, durch die Analyse pflanzlicher Überreste erstmals verlässliche Hinweise auf die Herkunft der madagassischen Urbevölkerung zu finden.

Aus Sedimenten an 18 prähistorischen Siedlungsorten auf Madagaskar, den Komoren und an der ostafrikanischen Küste haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 2443 pflanzliche Überreste von Nutzpflanzen identifiziert. In der heute in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Studie, datieren sie die Funde auf die Zeit zwischen 700 und 1000 unserer Zeitrechnung.

“Uns überraschte der deutliche Unterschied zwischen den ackerbaulich genutzten Pflanzenarten der ostafrikanischen Küstenregion und denen auf Madagaskar“, sagt Alison Crowther von der Universität Queensland, leitende Autorin der Studie.Während die historischen Pflanzenfunde von der ostafrikanischen Küste und den nächstgelegenen Inseln ganz überwiegend von afrikanischen Nutzpflanzen dominiert waren – wie Sorghum, Perlhirse und Affenbrot -, enthielten die Proben aus Grabungsstätten auf Madagaskar wenige oder gar keine afrikanischen Pflanzenarten. Stattdessen bestanden sie hauptsächlich aus asiatischen Sorten wie asiatischem Reis, Mungobohnen und asiatischer Baumwolle.

Das Team untersuchte, in welchen anderen Gebieten rund um den indischen Ozean diese Nutzpflanzen angebaut wurden und berücksichtigte zusätzlich historische und linguistische Daten. Auf dieser Basis konnten die Forscher überzeugend darlegen, dass die Nutzpflanzen aus Südostasien nach Madagaskar kamen.  „Wir haben endlich einen Weg gefunden, einen Blick auf die äußerst rätselhafte südostasiatische Besiedlung der Insel zu werfen.“ , sagt Nicole Boivin, weitere Leiterin der Studie und Direktorin der neugegründeten Abteilung Archäologie am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. „Wir können sie eindeutig trennen von der Besiedlung, die vom afrikanischen Kontinent aus stattgefunden hat. Offensichtlich brachten die Südostasiaten Samen von Nutzpflanzen aus ihrer Heimat mit, pflanzten sie auf Madagaskar an und ernährten sich von ihnen. Archäologen können diese Überreste nutzen, um endlich grundlegende Einblicke zu bekommen, wie die Insel besiedelt wurde.“

Ein solcher neuer Einblick ist, dass nicht nur Madagaskar von Südostasiaten besiedelt wurde, sondern auch das benachbarte Archipel der Komoren, das zwischen Madagaskar und der nördlichen Küste Mosambiks liegt. „Damit haben wir nicht gerechnet“, merkt Alison Crowther an, „denn die Menschen auf den Komoren sprechen afrikanische Sprachen, und sie sehen – anders als die Bevölkerung Madagaskars – überhaupt nicht aus, als könnten sie südostasiatische Urahnen haben.“ Linguistische Befunde unterstützen allerdings die Hypothese der Forscherinnen: „Als wir die Ergebnisse der Sprachforscher zu den Komoren genauer analysierten, stellten wir fest, dass zahlreiche angesehene Linguisten dieselbe Argumentation verwenden, die uns die archäologischen Funde nahelegen: eine Besiedlung der Komoren durch Menschen aus Südostasien“, führt Nicole Boivin aus.

Noch sind viele Fragen offen. „Wir möchten herausfinden, wer diese Menschen waren und welchen Einfluss sie hatten“, sagt Alison Crowther. „Zu den Ereignissen, die möglicherweise mit der Ankunft der Menschen aus Südostasien in Zusammenhang stehen, gehört das Verschwinden von Madagaskars bekannter Megafauna, zu denen verschiedene Arten von riesigen Vögeln, Riesenlemuren und Riesenschildkröten gehören.“ Fragen wie diesen möchte das Team in weitere Forschungsarbeiten auf Madagaskar nachgehen.

Mehr Infos gibt es hier.

Quelle:
Petra Mader
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte / Max Planck Institute for the Science of Human History

Königsgrab von Seddin

Das Königsgrab von Seddin steht im Mittelpunkt der dritten Veranstaltung in der Reihe „Topoi im Museum“, die im Märkischen Museum der Stiftung Stadtmuseum Berlin stattfindet.

Im Märkischen Museum werden seit der Entdeckung des Hügelgrabs in der Prignitz Ende des 19. Jahrhunderts die kostbaren Grabbeigaben aufbewahrt. Jens May, Gebietsarchäologe für das nordwestliche Brandenburg am Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischem Landesmuseum und Mitglied des Exzellenzclusters Topoi, wird über die Ergebnisse neuester archäologischer Grabungen sprechen, die zeigen, auf welch komplexe Weise der Hügel 800 v. Chr. errichtet wurde.

In der Ausstellung im Märkischen Museum ist ein Teil der Fundstücke zu sehen, die der damalige Direktor Ernst Friedel 1899 für das Museum sicherte. Das Stadtmuseum Berlin wird diese zur Veranstaltung zeigen.

Bei der Vortragsreihe „Topoi im Museum“ stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Forschungsthemen aus dem Exzellenzcluster Topoi in Berliner Museen vor. Ziel der Reihe ist es, den Besuchern der Museen über aktuelle Forschungsergebnisse der Altertumswissenschaften auch andere Betrachtungsweisen auf zum Teil bekannte Sammlungsobjekte zu erschließen.
1899 stießen Arbeiter bei Chaussee-Bauarbeiten in der Prignitz auf ein prähistorisches Herrschergrab, das sogenannte Königsgrab von Seddin. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zunächst die Grabkammer mit dem „Königsschatz“: Urnen und Schmuck, die zum Teil heute noch im Märkischen Museum zu sehen sind. Den Grabhügel hielt man für einen aufgeschütteten Erdhügel. Nach jüngsten archäologischen Forschungen muss er jedoch als eine Art frühes Monumental-Bauwerk beurteilt werden, das auf komplexe Weise aus Steinen und Sand aufgeschichtet ist. In einem Forschungsprojekt des altertumswissenschaftlichen Exzellenzclusters Topoi wird seit einigen Jahren nicht nur die Bauweise des Grabmals erforscht, sondern auch die Rituallandschaft, in welcher es vor fast 3000 Jahren entstanden ist. Das Projekt ist zudem eingebunden in eine größere Arbeitsgruppe zu Großbauten in der Antike im Exzellenzcluster; so erschließen sich weitere Bezüge etwa zur Kurganen, den größeren Grabhügeln in der eurasischen Steppe.

Der Exzellenzcluster Topoi bündelt die Stärken Berlins in der Erforschung der Antike und ist ein Kooperationsprojekt der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, dem Deutschen Archäologischen Institut, dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Zeit, Ort und Programm
– Dienstag, 5. April 2016, 18.00 Uhr
– Das Königsgrab von Seddin – Ein Monumentalbauwerk der Bronzezeit
– Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, 10179 Berlin, U-Bhf. Märkisches Museum (U2)
– Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung unter public.relations@topoi.org wird gebeten.

Weitere Infos zu der Veranstaltungsreihe gibt es hier.